Dienstag, 17. Mai 2016

Unterwegs zu den Victoriafällen


Eine Sache, die ich beim Reisen besonders mag, ist es, ohne großen Plan in einem Land anzukommen und mich einfach überraschen zu lassen. Es gibt Länder, da hat man, selbst wenn man noch nie da war, eine gewisse Ahnung, was es dort so gibt. Indien wäre so ein Land. Oder Italien. Oder die USA. Erwartungen können sich erfüllen oder auch nicht, aber man hat doch immer eine gewisse Vorstellung, was auf einen zukommt. Und dann gibt es Länder wie Simbabwe. Ganz ehrlich, bevor ich hierhin kam, gab es nur drei Dinge, die ich mit dem Land verband: die Victoriafälle, Hundert-Billionen-Dollar-Scheine und Robert Mugabe. Das Land hat allerdings weitaus mehr zu bieten.

Ich weiß, dass ich mich wiederhole, aber: Das Land ist sehr schön, die Leute sehr freundlich. Und die Fahrt hierhin war sehr... hmmm, wie drücke ich mich hier elegant aus? Höchsten Grades zum Kotzen passt wahrscheinlich am besten.

Alles fängt an mit einer Taxifahrt am frühen Nachmittag von Soweto ins Stadtzentrum Johannesburgs. Hier soll um 15 Uhr mein Bus nach Mutare im Osten Simbabwes starten. 15 Uhr afrikanische Zeit allerdings, also eher halb 4. In Pretoria, der Hauptstadt Südafrikas bleibt der Bus dann erst mal zwei Stunden, ohne Hinweis, stehen. Aber zumindest entschuldigt sich der Fahrer anschließend für die Verspätung. Es folgt eine Fahrt Richtung Norden, durch die südafrikanischen Provinzen Gauteng und Limpopo, in deren Verlauf wir x Mal von der Polizei für längere Zeiträume angehalten werden. Bei der gefühlt 20.000sten Polizeikontrolle bin ich schon innerlich am Kochen, bis mir auffällt, dass die anderen Passagiere das ganz locker hinnehmen. Hmmm. Ab und zu kann ich schon ein ziemlicher Deutscher sein, glaub' ich.

Um 2 Uhr nachts kommen wir dann an der Grenze an. Es folgen: Langes Schlangestehen in einem ziemlich engen und chaotischen Häuschen, um den Austrittsstempel im Pass einzuholen. Warten im Bus auf irgendetwas. Weiterfahrt zum simbabwischen Grenzposten. Später werde ich mich mit einem (weißen) Simbabwer unterhalten, der schon überall in Afrika rumgekommen ist, und der mir versichert, dies sei mit Abstand der schlimmste Grenzposten der Welt. Ich habe keinen Grund, dem zu widersprechen. Aussteigen, Schlangestehen, Antragsformular für ein simbabwisches Visum einholen, Formular ausfüllen, wieder Schlange stehen, Formular abgeben, an einen anderen Schalter verwiesen werden, Visum bezahlen, langes Warten aufs Rückgeld, Pass mit Visum und Stempel erhalten, zurück zum Bus, warten auf irgendetwas. 10 Meter Fahrt, dann: alle wieder aussteigen, Gepäck ausladen, und warten darauf, dass ein Grenzbeamter fürs Gepäck Bakschisch verlangt. Währenddessen unterhalte ich mich mit einem freundlichen, etwas älteren Simbabwer, der mir partout nicht glauben will, dass man in Europa ohne Kontrolle von einem Land ins andere reisen kann. Er erklärt mir, dass wir eigentlich Glück haben: Es ist nämlich bald 6 Uhr, das heißt Schichtwechsel für die Grenzbeamten, was wiederrum bedeutet, dass diese nicht viel Zeit für uns haben und uns deshalb wahrscheinlich schnell durchwinken werden. Andernfalls kann man an dieser Grenze bis zu 8 Stunden festgehalten werden (also bis zum Schichtwechsel), falls man sich weigert, zu bezahlen.

Um ziemlich genau 6 Uhr, die Sonne geht gerade auf, ist dieser Albtraum dann tatsächlich auch zu Ende, die Fahrt geht endlich weiter. Und zwar durch eine atemberaubende Landschaft, um auch mal was Positives zu sagen. Die Umgebung sieht so aus, als hätte sie ein Fantasycomputerrollenspieldesigner entworfen. Dazwischen immer wieder kleine Dörfer mit traditionellen Hütten; während Südafrika vom Bus aus betrachtet oftmals nicht besonders exotisch wirkte, habe ich hier wirklich den Eindruck, im richtigen Afrika zu sein.

Der Bus kommt letztendlich um 15 Uhr in Mutare an, von einem Taxi lasse ich mich zu meinem Hostel bringen - noch nie war ich so froh, endlich angekommen zu sein. Für den Rest des Tages fühle ich mich, als ob ich mich unter Wasser bewegte. Um 7 Uhr abends falle ich dann erschöpft ins Bett und wache erst 12 Stunden später wieder auf.

Mutare
Mutare selbst ist nicht besonders aufregend. Ich verbringe hier einen Tag und besichtige die größte Attraktion der Stadt, das Cecil-Kopje-Naturreservat, das im Verglich zu dem, was ich in Südafrika und Swasiland gesehen habe, eine ziemliche Enttäuschung ist; das Eintrittsgeld ist zudem eine ziemliche Unverschämtheit. Ansonsten wandere ich noch ein bisschen durch die Stadt, es ist Sonntag, aus allen Kirchen dröhnt ziemlich gut klingende Musik; und ich unterhalte mich mit der ziemlich netten Familie, die das - bis auf mich komplett leere - Hostel verwaltet. Kein besonderer Tag, aber immerhin besser als der Vortag.

Weiter geht es nach Chimanimani, das ebenso wie Mutare in den Bergen im Osten Simbabwes, direkt an der Grenze zum Mosambik, liegt. Nachdem ich hier einen relaxen Tag mit einer kleinen Wanderung zu einem ganz hübschen Wasserfall verbracht habe, geht es endlich nochmal in die Wildnis. Um genauer zu sein: Es geht für 3 Tage in den Chimanimani National Park. Per Taxi lasse ich mich zum Eingang des Nationalparks fahren, der eine Fahrstunde vom Dorf entfernt ist. Von hier geht es über einen ziemlich steilen und anstrengenden Pfad zu einer Berghütte, die ich für die nächsten 2 Nächte mein Zuhause nennen werde. Brennholz sammeln, damit ich mir am Kamin zumindest eine Suppe kochen kann. Abendessen vor dem Kamin, bei ansonsten kompletter Dunkelheit. Danach gibt es nicht mehr viel zu tun: Es ist 18 Uhr, die Sonne ist untergegangen und in der Hütte gibt es kein elektrisches Licht. Bleibt nichts anderes, als schlafen zu gehen.

Am darauffolgenden Tag mache ich eine etwas längere Wanderung auf einen Gipfel namens Ben Nevis, der auf etwa 2100 Metern liegt und offiziell schon im Mosambik liegt. (Uuuuuh, illegaler Grenzübertritt!) Sehr schöne Aussichten, siehe Fotos.

Am dritten Tag begrüßt mich ein strahlend blauer Himmel - eigentlich beinahe eine Einladung, noch etwas länger hier zu bleiben. Aber nach zwei Tagen als Einsiedler ist mir etwas menschliche Gesellschaft da doch lieber. Zurück also nach Chimanimani, wo es nach einem etwas ruhigeren Tag weiter geht.

Dass ich während meiner drei Tage im Nationalpark niemanden habe zu sehen bekommen, ist bezeichnend - alles in allem erscheint mir Simbabwe als das mit Abstand untouristischste Land, das ich bisher besucht habe. Oftmals bin ich der einzige Nicht-Simbabwer, der da unterwegs ist .Trotz all dem ist das Land eigentlich gut erschlossen, und es gibt eine gute Infrastruktur mit Backpacker-Hostels an beinahe jedem wichtigeren Ort (wo ich dann meistens der einzige Gast bin). Für diesen Gegensatz gibt es aber eine Erklärung.

Kein Witz!
So schön Simbabwe nämlich auch ist - das Land hat mehrere Probleme. Eines dieser Probleme heißt Robert Mugabe. Bis 1980 lief das Land unter dem Namen Rhodesien und wurde von einer weißen Minderheit beherrscht. Dann kam Mugabe als erster schwarzer Regierungschef des Landes an die Macht und wurde als solcher zunächst weitestgehend gut angesehen (ähnlich wie Nelson Mandela ein Jahrzehnt später ein Land weiter südlich). Mit der Zeit wurde Mugabe dann aber zum Diktator. Ende der Neunziger hatte er dann die tolle Idee, weiße Farmer zu enteignen. Das Problem daran: Landwirtschaft stellt den wichtigsten Wirtschaftssektor des Landes dar, so gut wie alle Farmen gehörten Weißen, und die neuen (parteitreuen) Besitzer, denen Mugabe die Kontrolle der Farmen übergab, hatten keine Ahnung von dem, was sie da taten. Innerhalb einiger Jahre ging die Wirtschaft somit den Bach herunter; die Preise stiegen auf ein unbezahlbares Niveau; und die Regierung reagierte darauf, indem sie Banknoten von lachhaft hohem Wert druckte (der höchste Schein war 100.000.000.000.000 Simbabwische Dollar wert).

Mittlerweile ist die Situation folgende: Der Simbabwische Dollar wurde abgeschafft und durch den US-Dollar ersetzt. Die Preise haben sich normalisiert, auch wenn hier alles doch ein gutes Stück teurer ist, als in den umliegenden Ländern. Robert Mugabe, mittlerweile steinalt, ist immer noch Präsident Simbabwes und hat es sich kürzlich nicht nehmen lassen, trotz der schweren Dürre im Land für die Feier seines zweiundneunzigsten Geburtstages mehrere Millionen (US-amerikanische) Dollars springen zu lassen. Das Volk derweil harrt aus und wartet, bis der große Diktator endlich das Zeitliche segnet.

Die Enteignung der weißen Farmer und die chaotische wirtschaftliche Situation im Land führten dazu, dass Simbabwe vom Westen boykottiert wurde - auch durch den westlichen Tourismus. Und das ist der Grund, warum ich im Chimanimani-Nationalpark niemanden getroffen habe.

Groß-Simbabwe
Mein nächstes Ziel sind die Ruinen von Groß-Simbabwe im Zentrum des Landes. Hierbei handelt es sich um die Überbleibsel einer Stadt aus dem 11. Jahrhundert und die größte historische Stätte Afrikas unterhalb der Sahara. Der Begriff Simbabwe bezeichnet eigentlich eine Art großes Steinhaus, das damals, bevor das Land kolonialisiert wurde, überall gebaut wurde. Immer noch sind solche Ruinen in Simbabwe weit verbreitet; diejenigen von Groß-Simbabwe sind allerdings die mit Abstand zugänglichsten. Als Mugabe 1980 an die Macht kam, wurde Simbabwe als neuer Name für das Land übernommen, da Rhodesien zu sehr nach Kolonialismus klang. Die Ruinen Groß-Simbabwes sind mittlerweile fester Bestandteil der kulturellen Identität des Landes.

Eine Sache, die mich in Simbabwe gewaltig nervt, sind die exhorbitanten Touristen-Preise. Gemeint ist damit nicht der Preis, den man am Straßenstand für einen Sack Äpfel bezahlt, sondern einfach die festgelegten Eintrittspreise. Dass man in ärmeren Ländern als Europäer höhere Eintrittspreise bezahlt als die Einheimischen, ist normalerweise etwas, was ich richtig finde: Es ist halt so, dass man weitaus reicher ist, als die meisten Einheimischen - diese haben allerdings das größere Anrecht darauf, ihr eigenes kulturelles Erbe zu sehen, welches wiederum irgendwie unterhalten werden muss - logisch, dass man Ausländer da etwas mehr bezahlen lässt. In Simbabwe hat das allerdings Ausmaße angenommen, die teilweise wirklich unverschämt sind. Nachdem es die Regierung geschafft hat, die Wirtschaft des Landes eigenhändig in Grund und Boden zu fahren, scheint man nun einfach auf die Idee gekommen zu sein, aus dem Tourismus so viel Geld zu schlagen wie möglich. Mit denen kann man es ja machen. Der Witz an der Sache ist, dass ich hier eigentlich der einzige Tourist bin.

Von Groß-Simbabwe geht es weiter nach Bulawayo, der zweitgrößten Stadt des Landes. Das Stadtzentrum, stark geprägt von Kolonialarchitektur, stellt sich heraus als ziemlich hübsch für afrikanische Verhältnisse. Bulawayo ist auch der erste Ort in Simbabwe, wo ich nicht der einzige Reisende zu sein scheine. Was irgendwie logisch ist, denn die Stadt liegt quasi auf halbem Weg zwischen Südafrika und den Victoriafällen. Wer also über Land dorthin reist, muss zwangsläufig hier Halt machen. Ich finde in Bulawayo ein sehr gutes, wenn auch etwas abgelegenes, Hostel und nehme mir etwas Zeit für ein paar praktische Dinge. Ansonsten gibt es von hier nichts Großartiges zu berichten.

Weiter geht es zu den mit Spannung erwarteten Victoriafällen. Diese liegen an der Grenze zu Sambia und gehören, zusammen mit den Niagara-Fällen (USA/Kanada) und den Iguazu-Fällen (Brasilien/Argentinien) zu den drei größten Wasserfällen der Welt. (Welcher von den dreien der größte ist, ist irgendwie Definitionssache, aber wenn man sich bei den Vic Falls befindet, ist es natürlich logisch, welcher als der größte verkauft wird.) Im Unterschied zu den zwei anderen Fällen gehören die Victoriafälle auch zu den sieben Naturwundern der Welt. Und auf der Suche nach noch mehr Fun Facts über die Victoriafälle habe ich gerade auf Wikipedia gelesen, dass Simbabwe plant, um die Fälle herum einen Vergnügungspark zu bauen, damit mehr Touristen ins Land kommen (Kosten: 300 Millionen USD). Na dann, viel Glück.

Zugang zu den Victoria Falls erhält man von der simbabwischen Seite über ein Städtchen mit demselben Namen. Im Unterschied zum Rest des Landes ist das hier ein Touristenort reinsten Fahrwassers und ist zudem als solcher geprägt durch eine sehr unsympathische Grundstimmung. Als Weißer wird man hier andauernd für einen wandelnden Bankautomaten mit unbegrenztem Abhebelimit angesehen, und die Vehemenz, mit der einige Kerle mir hier ihre Helikoptertouren, ihre Hundert-Billionen-Dollar-Scheine oder was-weiß-ich-sonst-noch-alles andrehen wollen, würde wohl selbst den nervigsten Nervensägen in Indien Ehrfurcht einflößen. Kurz: Victoria Falls (der Ort) ist dermaßen nervig und unangenehm, dass ich nach einem Tag nach Sambia rüberflüchte.

Die Victoriafälle selbst sind allerdings ein Erlebnis. Und zwar eins in 4D. Man bezahlt eigentlich 30 Dollar, um einmal so richtig nass gemacht zu werden. Und damit meine ich nicht, dass man dann und wann mal einen Wasserspritzer mitbekommt. Die Victoriafälle live zu erleben, ist eher so, als ob man die unglaublich geniale Idee hat, durch einen sommerlichen Platzregen zu spazieren. Man wird richtig nass. Was man zu sehen bekommt, hängt indes auch davon ab, wann man hierhin reist. Mai ist Anfang der Trockenzeit, und obwohl die Regenzeit in diesem Teil der Welt nicht besonders regnerisch war, sind die Victoriafälle, die ich zu sehen bekomme, ziemlich massiv. Der Nachteil ist, dass es hinter Dunst und Wasseerdampf nicht immer einfach ist, etwas zu erkennen.

Und auf der anderen Seite, in Sambia, soll man anscheinend noch nasser werden. Da nehme ich vielleicht doch mal eine Regenjacke mit.

Groß-Simbabwe


Die Victoriafälle von oben

Grenzübergang zwischen Simbabwe und Sambia

Traditionelles Dorf bei Groß-Simbabwe

Dasselbe noch mal von oben

Groß-Simbabwe

Groß-Simbabwe

Groß-Simbabwe

Groß-Simbabwe

Chimanimani National Park

Chimanimani National Park

Chimanimani National Park

Chimanimani National Park

Chimanimani National Park

Mutare

Chimanimani National Park

Chimanimani National Park

Chimanimani National Park

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