Donnerstag, 27. August 2015

Der Kleine Kaukasus



Der Krimi um das Iran-Visum geht weiter...

Nachdem ich also meine große Wanderung im Kaukasus hinter mir habe, verbringe ich noch einen Tag in Mestia, an dem ich mich hauptsächlich mit den folgenden Dingen beschäftige:
- ausschlafen,
- im Bett liegen,
- aufstehen, es mir anders überlegen und mich wieder hinlegen.

Am nächsten Tag geht es dann weiter in Richtung Hauptstadt. Nach der Marschrutka-Fahrt von Mestia nach Zugdidi muss ich wieder einen etwas untätigen Tag einlegen, bis ich abends von Zugdidi den Nachtzug nach Tiflis nehme. Im Nachtzug habe ich einen Platz in einem Viererabteil reserviert. Neben mir reisen in diesem Abteil noch ein älterer Herr und eine junge Dame mit ihrem etwa zehnjährigen Sohn und ihrem Baby. Während ich in einem der oberen Betten liege, kann ich stundenlang kein Auge zumachen. Die anderen Fahrgäste haben aus einem mir unerfindlichen Grund die Abteiltür offen gelassen, sodass es im Abteil unglaublich laut und kalt ist. Gegen 3 Uhr, als alle schlafen, reiße ich mich aus meiner Lethargie und schließe leise die Tür. Innerhalb einer Sekunde fängt das Baby an zu schreien und weckt das gesamte Abteil. Und wer ist jetzt die unbeliebteste Person im Raum? Seltsamerweise nicht das Baby.

Nach dieser ziemlich ungemütlichen Nacht, komme ich um halb 7 Uhr morgens in Georgiens Hauptstadt Tiflis an. Ich quartiere mich in einem Hostel ein und widme die folgenden Tage der Erlangung von Passierschein A38 aka dem Iran-Visum. Die Prozedur gestaltet sich, wie zu erwarten, als emotionale Achterbahnfahrt. Ich fasse zusammen, schnallt euch an:

FREITAG: Übermüdet wegen der Nachtzugfahrt suche ich die iranische Botschaft. Hierfür brauche ich beinahe 3 Stunden, da die Adresse auf zwei Stellen in Tiflis zutrifft. Eine Botschaft kann ich aber an keiner der beiden Stellen entdecken. Nachdem ich dreimal von einem Ende der Stadt zum anderen gefahren bin, löse ich das Problem, indem ich mich in ein Taxi setze, dem Fahrer den Zettel mit der Adresse in die Hand drücke und mich von ihm zur Botschaft fahren lasse. Ich habe es noch rechtzeitig geschafft, eine halbe Stunde bevor die Botschaft fürs Wochenende schließt anzukommen.

Nach einem kurzen Sicherheitscheck werde ich von einem sehr freundlichen und höflichen Iraner empfangen, der mit mir zunächst über die Sprachensituation in Belgien plaudert und mich bei einem Blick in meinen Reisepass fragt, was ich in einigen der hier festgemachten Ländern gemacht habe. Als er aber sein Anfragendossier durchgeht, meint er, es lägen für mich nicht die nötigen Dokumente vonseiten des Außenministeriums vor, er könne mir da leider auch nicht helfen, es sei aber nett gewesen, mich kennengelernt zu haben. Als ich eine halbe Stunde später in mein Hostel zurückkehre, ist mir meine niedergeschlagene Stimmung wohl dermaßen offensichtlich ins Gesicht geschrieben, dass der Hausherr sich ein Herz fasst und versucht, mich auf die typisch georgische Manier zu trösten: Er zwingt mich zu einem Wodka.

Später kontaktiere ich die Agentur, über die ich das Visum beantragt habe, damit diese der Botschaft die nötigen Dokumente zuschickt.

Toskana im Kaukasus - Sighnaghi
SAMSTAG und SONNTAG: In der Hoffnung, dass sich diese Geschichte während des Wochenendes von selbst auflöst (immerhin sind der Samstag und der Sonntag im Iran normale Wochentage), fahre ich für 2 Tage nach Sighnaghi in der Region Kakhetien, der Weinregion im Osten Georgiens. Ich verbringe in dieser etwas italienisch wirkenden Stadt ein ruhiges Wochenende, von dem es nicht viel Besonderes zu erzählen gibt, außer vielleicht, dass ich in meiner Unterkunft - der letzten Bruchbude, nach beinahe allen Kriterien - endlich nochmal warmes Wasser habe. Seit Kappadokien habe ich nur kalte Duschen genießen dürfen.

MONTAG: Zurück in Tiflis begebe ich mich bester Dinge zur Botschaft. Heute, das habe ich im Gefühl, wird das klappen. Als ich kurz nach zehn im Visa-Ausstellungs-Büro ankomme, ist der nette Herr vom Freitag gerade dabei, einem Südafrikaner zu erklären, dass er am Dienstag sein Visum abholen könne. Schön für ihn, denke ich. Kurze Zeit später werde ich gebeten, mich ein wenig zu gedulden - keine Problem für mich, im Gedulden bin ich mittlerweile König. Eine Stunde später bittet der Visa-Verantwortliche mich um meinen Reisepass. Eine weitere Stunde später gibt er mir den Pass mit Bedauern zurück und beteuert, es läge nach wie vor keine Autorisierung für mich vor. Damit ich nicht noch einmal umsonst zur Botschaft kommen muss, gibt er mir seine Handynummer und meint, ich solle ihn am folgenden Tag um zehn Uhr anrufen. Ich fange an zu bezweifeln, dass ich das Visum jemals bekommen werde. Nachmittags mache ich mich schlau, wie es um Flugverbindungen zwischen Georgien und Indien steht.

DIENSTAG: Natürlich ist unter der Nummer niemand zu erreichen. Und natürlich wird sofort aufgelegt, als ich die Botschaft anrufe und meinen Namen nenne. Ich fühle mich höchsten Grades zum Besten gehalten, mich packt eine Mordswut und ich nehme wieder den Bus zur Botschaft, in bester Stimmung, um diesen Witzbolden mal einen ordentlichen Tritt in ihren diplomatischen Allerwertesten zu verpassen. Als ich aus dem Bus steige, sehe ich gerade, wie Mr. South Africa die Botschaft stolz wie Oskar mit seinem Visum verlässt. O Gott, wie ich den Kerl gerade hasse!

Der iranische Beamte scheint aber schon auf mich gewartet zu haben, denn auf seinem Tisch sehe ich ein Blatt mit meinem Namen. "Passport!", blafft er mich zur Begrüßung an. Von seiner freundlichen Art ist heute nichts zu spüren. Nach einem Blick auf meinen Pass unterrichtet er mich darüber, was ich nun alles zu tun habe: 1) ein Antragsformular für mein Visum ausfüllen, 2) alle Hotels auflisten, in denen ich im Iran wohnen werde (ich habe noch keinen Plan, welche Orte ich im Iran besuchen will, geschweige denn, wo ich übernachten will), 3) eine Kopie meiner Reiseversicherung besorgen, 4) zu einer Bank im Stadtzentrum fahren und die 50 Euro Visumkosten auf das Konto der Botschaft einzahlen, 5) zwei Passfotos besorgen. Ich schaffe es tatsächlich, alle diese Dinge innerhalb einer guten Stunde zu erledigen. Nachdem ich alle nötigen Dokumente in der Botschaft abgegeben habe, werde ich gebeten, am folgenden Tag um 12 Uhr zur Botschaft zurückzukommen, um meinen Reisepass abzuholen.

MITTWOCH: 12 Uhr, ich bin zurück in der Botschaft. Der Visum-Verantwortliche begrüßt mich mit einem herzlichen "Good morning, Sir! How are you today?" Offensichtlich hat er wieder zu seiner freundlichen Art gefunden. Er reicht mir meinen Reisepass, in dem ich einen großen iranischen Visum-Sticker finde. Ich habe das Visum! Endlich! Halleluja! Jauchzet und frohlocket, ihr Chöre der Engel! Hipp hipp hurra! Ein dreifach kräftiges Oepe alaaf! Belgien ist Weltmeister! Wir haben den Ring zerstört, Frodo! Ich kämpfe gegen den Impuls an, ein spontanes Luftgitarrensolo einzulegen und verlasse die Botschaft mit einem Lächeln.

Tiflis' Altstadt
Auch wenn die Warterei ziemlich lästig war - zumindest ist Tiflis eine schöne, interessante und abgesehen von der unglaublichen Hitze angenehme Stadt, in deren Umkreis es vieles zu sehen gibt. Sehr hübsch ist die Altstadt, die durch bunte Wohnungen, viele Cafés und alte georgische Kirchen gekennzeichnet ist. Außerhalb des Stadtzentrums wirkt dann aber vieles in Tiflis ziemlich marode und baufällig. Ich nutze die Zeit in Tiflis, um einige Tagesausflüge in die Umgebung zu unternehmen und gehe auch einigen Alltagsbesorgungen nach (Haare schneiden, Schuhe kaufen).


Danach geht es weiter nach Land Nr. 3. Einige Fakten zu Armenien:

Platz der Republik in Jerewan
- Ehemaliges Land der Sowjetunion.

- Erstes Land, das das Christentum zur Staatsreligion erhob (im Jahre 301).

- Die armenische Sprache, die offenbar mit dem Baskischen verwandt ist, verwendet ihre eigene Schrift, die mit keinem anderen Alphabet, auch nicht mit dem georgischen, verwandt ist.

- Das Verhältnis Armeniens zu seinen Nachbarstaaten kann man größtenteils als angespannt bezeichnen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion führten Armenien und Aserbaidschan einen mehrjährigen Territorialkrieg, hauptsächlich um die Region Nagorno-Karabakh. Obwohl 1994 ein Waffenstillstand ausgerufen wurde und sich mittlerweile in der halboffiziellen Republik Nagorno-Karabakh die Lage weitestgehend beruhigt hat, befinden sich Armenien und Aserbaidschan offiziell immer noch im Krieg. Dementsprechend ist die Grenze zwischen den beiden Ländern zu; mit einem armenischen Stempel im Reisepass kann man nicht nach Aserbaidschan reisen.

Fotografiert in einer U-Bahn-Station
- Schwierig ist auch das Verhältnis Armeniens zum westlichen Nachbarn Türkei, da die Türkei den 1915 von ihr ausgeführten Völkermord an den Armeniern nach wie vor nicht als Genozid anerkennen will. Als Reaktion auf den Krieg um Nagorno-Karabakh hat die Türkei in den Neunzigern die Grenze zu Armenien dichtgemacht.

Zu den anderen Nachbarländern Georgien und Iran besteht dann die übliche typische nachbarschaftliche Hassliebe. Als ich in Tiflis dem Besitzer meines Hostels erzähle, dass ich durch Armenien in den Iran reisen will, fragt er mich entsetzt, warum ich denn nicht durch Aserbaidschan in den Iran wolle, oder - noch besser - von Georgien in den Iran fliege. Es folgen dann mehrere Warnungen vor der Verlogenheit der Armenier und der Hässlichkeit ihres Landes. Als ich den Hostelbesitzer frage, wann er denn das letzte Mal in Armenien gewesen sei, verkündet er stolz, er habe noch nie einen Fuß nach Armenien gesetzt, und es sei auch das letzte Land, das er jemals betreten würde. Als ich ihm ein paar Länder nenne, in die ich derzeit nicht unbedingt reisen würde (Syrien, Libyen, Somalia), meint er entschlossen: Lieber in eines dieser Länder, als nach Armenien!

Wirklich überzeugen kann er mich aber nicht. Ich verabschiede mich, er wünscht mir sehr viel Glück und ich springe in ein Taxi, das mich zum Sammelpunkt für die Marschrutkas bringt. Dort schaffe ich es irgendwie, auf einen Taxifahrer zu stoßen, der mich für denselben Preis, den mich der Bus gekostet hätte, nach Jerewan, der Hauptstadt Armeniens, fährt.

Jerewan ist eine etwas seltsame Stadt, die sehr stark durch sowjetische Architektur
geprägt ist und der ein wenig mehr Farbe vielleicht guttun würde. Ein "Drecksloch", wie der Besitzer meines Hostels in Tiflis die Stadt bezeichnet hat, ist Jerewan allerdings nicht. Auch wenn die Stadt nicht so schön ist wie Tiflis, hat Jerewan doch eine sehr entspannte Atmosphäre, die mir sehr gut gefällt. Außerdem ist Jerewan sehr sicher und vor allem sauber, was in dieser Ecke der Welt schon einiges wert ist. Auffällig ist hier die hohe Anzahl an Postern, die an beinahe jeder Straßenecke an den armenischen Völkermord bzw. an die Verleugnung dieses Ereignisses durch die Türkei erinnern - dieses Thema ist nicht zuletzt deshalb allgegenwärtig, da sich der Völkermord dieses Jahr zum hundertsten Mal jährt. Bereits am Eingang der Stadt wird man durch ein Straßenschild begrüßt, das den türkischen Staatsgründer Attatürk mit Hitler gleichsetzt.

Keine Schönheit, aber nicht unsympathisch - Jerewan
In Jerewan treffe ich mich mit einem armenischen Ehepaar, das ich vor zwei Jahren, als ich schon mal einige Tage in Armenien verbracht hatte, kennengelernt hatte. Sie führen mich durch die Stadt, wir haben irgendwo ein typisch armenisches Abendessen, und ich erfahre viel Interessantes über die derzeitige politische Situation im Land. Ansonsten steht mein Aufenthalt in Jerewan allerdings ein wenig unter dem Motto "Pleiten, Pech und Pannen": Zuerst muss ich mehr Tage in der Stadt verbringen als gewollt, da ich Probleme mit meiner Bankkarte habe, aber unbedingt eine größere Menge US-Dollars abheben muss (Im Iran funktionieren die gängigen Bank- und Kreditkarten nicht, darum muss ich mit ausreichend harter Währung ins Land). Nachdem sich das endlich erledigt hat, muss ich unfreiwillig noch einen weiteren Tag ausharren, da ich nicht damit gerechnet habe, wie schwierig es in Armenien ist, sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortzubewegen, besonders südlich von Jerewan.

Goris
Nach 5 Tagen in Armeniens Hauptstadt schaffe ich es aber endlich, mit genügend Cash um 7 Uhr morgens den einzigen Bus in Richtung Süden zu erwischen. Die Fahrt verläuft durch atemberaubende Landschaften und unglaublich scheußliches Wetter. Zumindest muss ich hier kein Heimweh haben. In Goris angekommen, begebe ich mich auf die Suche nach meinem Hostel, werde aber recht schnell von einem Taxifahrer abgefangen , der mir ein Zimmer in einem Bed & Breakfast anbietet. Da der Taxifahrer recht in Ordnung zu sein scheint, lasse ich mich von ihm zum B&B fahren. Nachdem ich das Zimmer dort angenommen und mich dort eingerichtet habe, bringt mich der Taxifahrer namens Ara zum Tatev-Kloster in der Nähe von Goris. Ara, der im Unterschied zu den meisten Taxifahrern im Kaukasus sehr gutes Englisch spricht, ist ein ehemaliger Chemie-Lehrer, der seinen Beruf vor 15 Jahren an den Nagel gehängt hatte, da das damalige Gehalt von 20 Dollar (!) im Monat bei Weitem nicht zum Überleben reichte.

Das Tatev-Kloster ist unter Armeniens x-tausend Klöstern eines der bekanntesten. Leider ist
Das Tatev-Kloster
es sehr neblig, als ich mir das Kloster anschauen gehe; von der angeblich wunderschönen Landschaft ist quasi nichts zu sehen. Zumindest aber verleiht der Nebel dem Ort einen etwas unheimlichen Touch, ich mag das. Nicht nur unheimlich, sondern sogar richtig gruselig ist aber Goris am Abend. Goris ist eine kleine Stadt, in der sich seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht mehr sehr viel getan hat. Die Straßen sind beinahe komplett als Raster angeordnet. Als ich abends mein B&B verlasse, um mir irgendwo etwas zu essen zu besorgen, stelle ich fest, dass es hier keine Straßenbeleuchtung gibt. Die Dunkelheit, der Nebel, die Tatsache, dass außer mir niemand draußen unterwegs ist - das alles wirkt so gruselig, dass ich für einen kurzen Moment richtig Panik schiebe, als ich den Eindruck habe, mich verlaufen zu haben.

Meghri
Nach meinem Aufenthalt in Goris geht es dann weiter nach Meghri, der südlichsten Stadt Armeniens. Von Goris geht es zuerst nach Kapan, einer heruntergekommenen Industriestadt, die ein wenig wie Charleroi aussieht, nur weniger hässlich. Dort muss ich dann leider weiter per Taxi - Armenien ist ein tolles Land, aber die öffentlichen Verkehrsmittel sind wirklich eine Katastrophe! Meghri ist dann wieder ein ziemlich hübsches Städtchen. Vielleicht liegt es an der sehr kargen Landschaft, vielleicht auch an dem wieder etwas besseren Wetter, aber Meghri wirkt wieder etwas orientalischer als die letzten Orte, die ich besucht habe.

Armenien hätte ich also hinter mir. Mein Hostelbesitzer in Tiflis wird wahrscheinlich erleichtert aufatmen; am liebsten würde ich aber wieder nach Tiflis reisen und ihm ein Flugticket nach Syrien, Libyen oder Somalia schenken, denn die Armenier sind bisher die nettesten Leute, die ich auf meiner Reise kennengelernt habe. Ähnlich habe ich mich zwar schon über die Türken geäußert, aber bei den Armeniern kommt hinzu, dass die sprachliche Verständigung etwas einfacher ist. Aber es ist nicht nur die Tatsache, dass ich mich mit vielen Armeniern gut unterhalten konnte; um nur ein Beispiel zu nennen: In meinem B&B in Goris übernachten neben mir noch zwei Italiener und ein Chinese. Morgens fragt der Chinese die Besitzerin des B&B, wo er in der Stadt eine Jacke kaufen könne. Anstatt ihm zu antworten, schenkt sie ihm eine Jacke aus dem Kleiderschrank ihres Sohnes. Ich meine - wer macht sowas?

So, und zum Abschluss noch was Ekliges: Ich sitze also gerade in meinem Zimmer in Meghri und schreibe diesen Bericht. Da der Preis für das Abendessen mir hier zu hoch ist, habe ich mir in einem Laden ein paar Lahmacun, eine Dose Joghurt, einen Apfel und eine Dose Müsli gekauft. Während ich in Erinnerungen schwelgend vor mich hin tippe, bemerke ich, wie sich auf meinem Tisch eine Horde kleiner Käfer breitmacht. Ich verfolge die Käfer zurück... zur Tüte mit meinem Abendessen, und dort zur Dose mit dem Müsli. Ich mache die Dose auf... Von Müsli ist hier nicht viel zu sehen, aber anscheinend habe ich für 550 Armenische Dram einen Zoo gekauft. Wo um alles in der Welt bin ich hier gelandet?


Tiflis by night

Mtskheta, Georgiens ehemalige Hauptstadt

Davit-Gareja-Kloster in Ostgeorgien

Landschaft zwischen Jerewan und Goris






Mittwoch, 12. August 2015

Der Große Kaukasus



Einige Fakten zu Georgien:

- Bis zu ihrem Zusammenbruch 1991 gehörte das Land zur Sowjetunion.

- Geographisch liegt es größtenteils in Asien, die Georgier sehen sich aber eher als Europäer. Auf lange Sicht strebt Georgien einen EU-Beitritt an.

- Georgien war nach Armenien das zweite Land, das das Christentum zur Staatsreligion erhob. (Das war im 4. Jahrhundert.)

- Die georgische Sprache hat ihr eigenes Alphabet, das in keinster Weise mit dem lateinischen oder kyrillischen Alphabet verwandt ist.

- 2008 führte Georgien einen kurzen Krieg mit Russland. Seither ist der politische Status der Provinz Südossetien unklar.

- Ferner nehmen die Georgier für sich in Anspruch, die historischen Erfinder des Weines zu sein, sie haben einen der größten Diktatoren des 20. Jahrhunderts hervorgebracht, und sie produzieren das leckerste Sprudelwasser der Welt.

Georgien ist auch komplett anders als die Türkei. Es ist eigentlich schwer zu sagen, welches von beiden Ländern das exotischere ist. Da Georgien kein muslimisches Land ist, wirken einige Dinge im Alltag für mich etwas vertrauter als beispielsweise in Südostanatolien. Wenn ich aber streng danach gehe, wie das Land aussieht (z.B. die fremdartige Schrift, die Straßenzustände, oder die Tatsache, dass Kühe ohne Probleme durch die Stadt laufen dürfen) fühle ich mich hier schon definitiv weiter von zuhause entfernt als in der Türkei. Was die Georgier mit den Türken hingegen verbindet, ist die Vorliebe der Autofahrer, Straßenverkehrsregeln zu missachten und sich durch andauerndes Hupen bemerkbar zu machen - allerdings kommt mir der Verkehr hier doch noch ein bisschen aggressiver vor.

Ich betrete Georgien über den Grenzübergang Hopa/Sarpi am Schwarzen Meer. Im Bus von Trabzon bis zur Grenze konnte ich noch ein letztes Mal den Luxus in den türkischen Bussen genießen, denn auf der anderen Seite der Grenze kommt man nur noch in möglichst vollen Minibussen (für die das russische Wort "Marschrutka" verwendet wird) von A nach B. Auf der Fahrt nach Batumi bekomme ich einen kleinen Schock, als die Marschrutka vor einer roten Ampel anhält und jemand von draußen die Hintertür öffnet, wahrscheinlich, um sich im Laderaum zu bedienen. Direkt steigen der Fahrer und ein Fahrgast aus und überzeugen den kleinen Halunken mit viel Buhei davon, dass dies keine so gute Idee ist.

Batumi selbst ist eine Art Dubai für Arme und stellt in demselben Maß ein Highlight Georgiens dar, in dem man Ostende als Perle Belgiens ansehen kann. Die teilweise imposanten Hochbauten diverser teurerer Hotelketten und Casinos sowie der Touristenkitsch an der Strandpromenade sind zwar ganz nett anzuschauen, wirken aber wie Plagiate anderer Orte, anhand derer die Stadt ihren Mangel an eigenem Charakter wettmachen will. Ganz nett ist hingegen die Seilbahnfahrt vom Hafen in die umliegenden Berge, von wo aus ich durch die subtropische Vegetation in die Stadt zurückwandere. Fairerweise muss ich auch sagen: Zumindest machen die Georgier etwas aus ihrem Strand. Wäre Batumi eine türkische Stadt, hätte man der Küste entlang wahrscheinlich eine Autobahn gebaut. Trotzdem bleibe ich aber nur deshalb einen Tag in Batumi, da ich im Hostel gratis meine Wäsche waschen kann.

Mestia
Mein vorlaeufiges Ziel ist die Region Swanetien. Diese liegt im Norden des Landes und mitten im Großen Kaukasus, der die Grenze zwischen Europa und Asien markiert. Hier habe ich vor, mal etwas länger an einem Ort zu bleiben, mal eine Pause von den ständigen Ortswechseln einlegen und ein wenig für Nepal trainieren. Um in diese etwas abgelegene Gegend zu gelangen, brauche ich 2 Tage. Einen Zwischenstopp lege ich in Zugdidi ein. Über Zugdidi gibt es nichts Großartiges zu berichten, außer dass ich mit einigen Leuten vom Hostel in einem Restaurant ein paar georgische Spezialitäten probiere (ganz groß: Auberginen mit Walnusscreme, köstlich!) und mit ihnen bis in die Nacht hinein über Gott und die Welt diskutiere.

Am nächsten Morgen stehen wir früh auf, um die Marschrutka nach Mestia, dem größten Dorf in Svanetien, zu erwischen. Mit dabei sind zu meiner Überraschung eine Australierin und eine Kanadierin, mit denen ich mir in Kappadokien ein Zimmer geteilt hatte. Mit ihnen unternehme ich dann während der nächsten Tage einige Wanderungen um Mestia. Leider ist das Wetter während dieser Tage allerdings nicht so toll.

Aussicht am ersten Wandertag
Nach vier Tagen geht dann meine erste größere Wandertour los. Innerhalb von vier Tagen will ich das 50 Kilometer von Metia entfernte Dorf Ushguli erreichen, das 2100 Meter über dem Meeresspiegel liegt und somit als das höchstgelegene konstant bewohnte Dorf Europas gilt. Ich starte alleine und treffe am ersten Tag auch keine Menschenseele. Zwischendurch habe ich ein paar Momente, in denen ich glaube, mich verlaufen zu haben (Die Wegmarkierungen sind alles andere als idiotensicher, dasselbe gilt für meine Wanderkarte), aber ich schaffe es tatsächlich, nicht vom Weg abzukommen. Nach etwa 6 Stunden erreiche ich das Dorf Chvabiani, wo ich im ersten Haus einkehre, das sich als "Guesthouse" verkauft - großer Fehler! Mit den Besitzern vereinbare ich den Preis von 25 Georgischen Lari für Logis, Abendessen und Frühstück. Zum Abendessen gibt es dann etwas Gemüse, Joghurt und ein steinhartes Brot (aus dessen Überresten ich tagsdrauf eine Made kriechen sehe). Am nächsten Morgen kassieren die Hausherren dann zwar 45 Lari ein, dafür gibt es aber auch kein Frühstück. Wirklich eine ganz feine Gesellschaft, in der ich da gelandet bin.

Der Abstieg nach dem enttäuschenden Panorama
Nachdem also das passiert ist, kehre ich Chvabiani um 8 Uhr mit knurrendem Magen den Rücken. Während ich mich einen ziemlich steilen und anstrengenden Berghang hinaufarbeite, treffe ich plötzlich ein italienisches Pärchen, dem ich drei Wochen zuvor schon im Hostel in Sanliurfa begegnet bin. Nachdem wir diesen Zufall mal verarbeitet haben, setzen wir den Weg gemeinsam fort. Wir brauchen etwas mehr als eine Stunde, um zum Ende des Steilhangs zu gelangen, der auf der Wanderkarte als "Panorama" bezeichnet wird. Dieser Aussichtspunkt stellt sich jedoch als eine riesige Baustelle für eine Skipiste heraus - die Romantik und Intimität der Bergwelt ist von hier auf jetzt plötzlich komplett futsch. Bei den Bauarbeitern können wir uns aber mit etwas gebrochenem Russisch nach der Fortsetzung des Weges erkundigen. Wir müssen uns etwa einen Kilometer an Bulldozern und LKWs vorbeikämpfen, bis wir wieder auf einen ruhigen Pfad gelangen. Hier treffen wir ein Pärchen aus Weißrussland, das sich uns anschließt. Nach einer weiteren Stunde gelangen wir auf ein Feld, wo uns ein georgischer Bauer anbietet, uns zu seinem "Guesthouse" zu bringen. Ich bin nach meinen Erlebnissen vom Morgen zwar etwas skeptisch, aber zumindest sattelt der Bauer unsere schweren Rucksäcke auf sein Pferd, was den Rest des Weges weitaus einfacher macht.
Adishi

Das Gasthaus in Adishi stellt sich dann aber als sympatischer Ort heraus, sodass die Italiener und ich beschließen, dort die Nacht zu verbringen (Die Weißrussen ziehen weiter, um außerhalb des Dorfes zu zelten). Nach einem üppigen Abendessen, das mich über die magere Kost der vergangenen 36 Stunden hinwegtröstet, habe ich noch ein gutes Gespräch mit dem Italiener, das sich größtenteils um Kafka, Kleist und E.T.A. Hoffmann dreht, ich erspare euch die Details.



Tag 3 soll dann der Höhepunkt der Tour werden. Wir brechen schon um 6 Uhr auf, da die Italiener noch am selben Tag nach Ushguli gelangen wollen. Nachdem wir etwa zwei Stunden lang einem Fluss entlang gewandert sind, erreichen wir die Stelle, wo dieser Fluss überquert werden muss. Im Vorfeld haben wir mit den Weißrussen vereinbart, dass der Bauer vom Guesthouse uns für 50 Lari mit seinem Pferd über den Fluss bringen solle. Auf der anderen Flussseite angelangt, beginnt dann der Aufstieg, der uns auf den Chkhunderi-Pass, den höchsten Punkt der Wanderung (2722 Meter), bringt. Dort können wir erst mal aufatmen, lassen unsere Rucksäcke liegen und machen noch die letzeten 100 Höhenmeter, um auf den Gipfel des Berges zu gelangen, wo wir die unglaublich schöne Aussicht auf zwei Gletscher und mehrere Viertausender genießen.


Nach einer ausgiebigen Pause auf dem Chkhunderi-Pass geht es wieder bergab. Nach dem Abstieg führt der Weg zunächst an einigen verlassenen swanetischen Dörfern und später an einem Canyon vorbei. In Khale, einem winzigen Dorf an Rande des Canyons, machen wir in einer etwas zusammenimprovisierten Gaststätte halt, um etwas Kühles zu trinken. Bevor wir aber unsere Fanta bekommen, lädt uns der Gaststättenbesitzer auf einen Wodka ein, bzw. er zwingt uns dazu, seinen Wodka zu trinken, und natürlich in einem Zug, denn "it`s a tradition" (O-Ton Gaststättenbesitzer).

Ein anhänglicher Wegbegleiter zwischen Khale und Iprali
Sichtlich langsameren Schrittes setzen wir unsere Tagesetappe fort, bis wir nach einer Stunde Iprali erreichen, ein Dorf, das direkt am Rande des Canyons liegt. Hier verabschiede ich mich von den Italienern, die es per Anhalter nach Ushguli schaffen wollen. Ich derweil schaue mich nach einer Unterkunft um, die ich auch sehr schnell finde.

Am nächsten Tag geht es nach einem etwas seltsamen Frühstück (salzige Tomaten mit angebratenen Nudeln, aber zumindest kein madiges Brot) letztendlich nach Ushguli. Die letzte Tagesetappe führt größtenteils über die ziemlich enge, holprige und staubige Hauptstrasse, die Ushguli mit Mestia und den umliegenden Dörfern verbindet. Zum Wandern ist das nicht so lustig, da ich ständig Platz machen muss für die Jeeps und Minibusse, die diverse Touristengruppen nach Ushguli hochtransportieren.

Ushiguli - angekommen!
Einmal in Ushguli angekommen, bin ich auch überrascht, wie viele Touristen hier eigentlich herumlaufen. Mit dabei sind natürlich auch einige leidige Vertreter der Selfie-Stick-Crowd (ganz ehrlich, Selfie-Sticks - ich find die Dinger sowats von dämlich, bescheuert und überflüssig, ich kann die echt nicht mehr sehen, und sollte ich jemandem mit dieser Meinungsäußerung auf den Fuß treten, entschuldige ich mich NICHT!)

Jut, en bisschen abgedriftet gerade. Also, Ushguli, viele Touristen. Nun, ich werde mich nie darüber beschweren, dass ein Ort touristisch ist, denn das darf ich nicht, da ich ja selbst ein Tourist bin. Ich mache nur Beobachtungen. Tatsache ist, es ist schon ein Schock, nach drei Tagen in halbverlassenen Bergdörfern in einem weiteren Dorf so viele Touristen vorzufinden. Tatsache ist aber auch, dass Georgien im Allgemeinen touristischer ist, als man vermuten würde, da wir in Westeuropa Georgien allgemein mit... nichts verbinden. In anderen Ländern ist das aber anders. Georgien zieht vor allem Touristen aus den ehemaligen Ostblock-Ländern an. Noch stärker vertreten sind aber die Vertreter eines anderen Landes, die sehr häufig in großen Gruppen reisen, prinzipiell um den letzten Lari feilschen und sich auch ansonsten ein wenig aufführen wie die Axt im Wald. Wer schon mal als Backpacker unterwegs war, kann sich wahrscheinlich denken, wen ich meine. Tatsache ist zuletzt auch, dass Georgien in den nächsten Jahren wahrscheinlich immer touristischer werden wird, was bedeutet, dass Busfahrten kein Abenteuer mehr darstellen werden, Kühe nicht mehr einfach so frei herumlaufen dürfen und man nicht mehr in der Gaststätte spontan auf einen Wodka eingeladen wird. Ich bin eigentlich froh, das Land in seinem derzeitigen Zustand gesehen zu haben.
Kirche in Ushguli

Ich beschließe spontan, noch einen Tag in Ushguli zu verbringen und quartiere mich bei einer Familie ein (so gut wie jeder Haushalt bietet hier Gästezimmer an). Nachdem um 15 Uhr sämtliche Touristentransporte abgezogen sind, ist das Dorf plötzlich sehr viel ruhiger und leerer.

Am darauffolgenden Tag wandere ich zum 8 Kilometer entfernten Shkhara-Gletscher. Unterwegs begegne ich meiner ersten Schlage auf dieser Reise, die ich in dieser Größe eigentlich nicht auf 2300 Metern Höhe im Kaukasus erwartet habe. Nach dieser Wanderung versuche ich, meinen Transport zurück nach Mestia zu organisieren. Da ich nicht mit einer organisierten Tour nach Ushguli gekommen bin, kann ich nicht per Jeep zurück, sondern muss mit einem alten Minibus Vorlieb nehmen, was für mich bedeutet: 1) Lange warten, bis genügend Passagiere im Bus eingetroffen sind, damit sich die Fahrt für den Chauffeur auszahlt, und 2) keine Stoßdämpfer.

2 Stunden warte ich, bis der Bus endlich voll ist. Die Fahrt verläuft dann über die besagte schlecht unterhaltene und nicht gesicherte Straße, an deren Rand es erst mal eine zweistellige Anzahl Meter senkrecht hinunter geht. Um das ständige Auf und Ab besser verkraften zu können und um nicht all zu sehr an den Wodka-Shot zu denken, den sich unser Fahrer kurz vor der Abfahrt gegönnt hat, arbeite ich mich durch die Queen-Diskographie auf meinem Mp3-Player. Los geht die Fahrt bei "Keep yourself alive", ab "You are my best friend" ist die Straße endlich geteert und pünktlich zum Finale von "Bohemian Rhapsody" kommen wir in Mestia an. Ooh yeah, ooh yeah! Nothing really matters, anyone can see. Nothing really matters, nothing really matters to me.

Any way the wind blows...

Tag 1 - Aussicht auf Mestia

Tag 1

Tag 3

Tag 3

Tag 3

Tag 4 - Ushguli nähert sich

Ushguli

Aussicht auf Ushguli

Der Shkhara-Gletscher

Samstag, 1. August 2015

Schreibtischterror!

Ich bin sauer.

Ich meine, ich hatte ja nicht erwartet, dass es einfach würde, an das iranische Visum ranzukommen. In einem Land, in dem Hotelpreise durch ein "Ministerium für Kultur und islamische Führung" festgelegt werden, wird man wohl einige administrative Hürden überwinden müssen. Nicht erwartet hatte ich allerdings, dass ich nach Strich und Faden... Also nicht erwartet hatte ich, dass das Ganze quasi so ablaufen würde.


Tatvan
Aber vielleicht erzähle ich erst mal der Reihe nach. Als ich mich das letzte Mal gemeldet hatte, war ich in Mardin. Nach 4 Tagen dort breche ich mit Bela, einem Ungaren, den ich im Hostel kennengelernt hatte, auf. Unser Ziel ist der Vansee. Die Reise verläuft zwar ohne nennenswerte Zwischenfälle, ist aber schon um einiges ungemütlicher als die bisherigen Ortswechsel. Eigentlich sind die Busse nämlich wirklich 1A, man bekommt regelmäßig Getränke und Snacks serviert, es gibt Wi-Fi und jeder Passagier hat sogar seinen eigenen Bildschirm, auf dem er Tabla zocken oder sich irgendwelche türkishe Telenovelas reinziehen kann. Diesmal sind wir aber auf Minibusse angewiesen, in denen Tetris mit Menschen gespielt wird. Will heißen: Es ist sehr, sehr eng. Wir müssen auf unserer siebenstündigen Fahrt fünfmal den Bus wechseln, bis wir in Tatvan ankommen.


Mein Transport auf dem Vansee
Nach mehr als einer Woche in Südostanatolien ist es wirklich schön, nochmal vernünftige Temperaturen um die 30 Grad zu haben und Dinge zu sehen wie Wasser und Bäume. Ansonsten ist Tatvan allerdings nicht so spannend. Am nächsten Tag trennen wir uns: Bela will so schnell wie möglich nach Trabzon, während ich noch etwas länger am Vansee bleiben will. Ich reise an diesem Tag weiter nach Van, und zwar per Schiff. Ich hatte eigentlich erwartet, dass die Fähre zwischen Van und Tatvan so ein Touristending ist, aber da der Vansee tatsächlich komplett untouristisch ist, gibt es so etwas nicht. Stattdessen mache ich die Überfahrt auf einem alten, rostigen Güterfrachter, auf dem ich in der Tat die einzige Person bin, die nicht zur Mannschaft gehört. Während der fünfstündigen Fahrt sitze ich auf dem Deck, lese viel, genieße die Sonne und die schöne Landschaft. Ab und zu kommt jemand von der Crew vorbei, um sein Englisch zu üben, der Koch spendiert mir sogar ein Mittagessen. In Van angekommen setze ich mich dann in den Bus in die Innenstadt, wo mir ein junger Polizist, ohne dass ich gefragt hätte, direkt anbietet, mich zu meinem Hotel zu eskortieren. Habe ich eigentlich schon erwähnt, wie nett die Türken sind?



Die Burg in Van
Van selbst ist alles andere als eine Schönheit. Vor 4 Jahren fiel die Stadt einem Erdbeben Stärke 7,1 zum Opfer, was sehr deutlich Spuren hinterlassen hat. Sehenswert ist allerdings die Akdamar-Insel, die auf dem See etwa 30 Kilometer von der Stadt entfernt ist, sowie eine ziemlich coole Burg, die etwas abseits von Stadtzentrum liegt. 

Nach zwei Tagen in Van fahre ich weiter Richtung Norden. Die nächste Station ist Erzurum, eine überraschend hübsche Stadt mitten im Nirgendwo. Gut, hübsch ist vielleicht der falsche Begriff; hübsch war mit der Ausnahme von Göreme und vielleicht Mardin keine der Städte, die ich in der Türkei besucht habe. Aber es gibt ein paar hübsche Ecken, das will ich damit sagen. Die traurige Wahrheit in der Türkei ist, dass um die schönen Ecken in den Städten herum ein dermaßen geschmackloses Bauchaos veranstaltet wurde, dass den Städten jegliche Grazie abgeht und man sich fragen kann, ob dem Land überhaupt etwas an seinem kulturellen Erbe liegt. Die Autofahrer tragen hier auch ihren Teil bei. Selbst in ehemals kommunistischen Ländern (Albanien, Rumänien,...) habe ich das nicht als so schlimm empfunden wie hier in der Türkei.
Erzurum

Nach einem Tag in Erzurum geht es dann weiter nach Trabzon, dem Ort, wo ich mein iranisches Visum abholen will. Für das iranische Visum sind im Grunde eigentlich nur folgende Schritte einzuhalten:

1) Man muss über eine Agentur einen sogenannten "Reference Code" beantragen und in diesem Rahmen auch angeben, wo man mit dieser Referenznummer sein Visum abholt. Diesen Antrag hatte ich über Internet bereits in Istanbul gestellt. Die Agentur, für die ich mich entschieden hatte, heißt Touran Zamin. Für den Code durfte ich dann 75 Kanadische Dollar bezahlen (Ja, die iranische Agentur rechnet aus irgendeinem Grund in Kanadischen Dollars - nicht so lustig beim derzeitigen Wechselkurs). Als Abholstelle hatte ich das iranische Konsulat in Trabzon angegeben, da ich zu dem Zeitpunkt nicht sicher war, ob ich überhaupt Georgien und Armenien mitnehmen würde. Vielleicht hätte mir die Türkei ja so gut gefallen, dass ich zwei Monate dort verbracht und dafür auf die zwei Kaukasus-Staaten verzichtet hätte. Trabzon, das in der Nähe zu Georgien liegt, erschien mir da als die beste Alternative.

2) Nachdem man den Antrag für eine Referenznummer getellt und bezahlt hat, dauert es 7 bis 10 Tage, bis man eine sehr formelle E-Mail vom Iranischen Außenministerium erhält, in der man seine Referenznummer erfährt. Bei mir dauerte es zu meiner Überraschung nur 3 Tage. Da war ich gerade in Gaziantep angekommen. Da bis dahin alles ziemlich reibungslos abgelaufen war, war ich ziemlich guter Dinge, was den Erhalt meines Visums betraf.

3) Innerhalb einer vordefinierten Zeitspanne (1 oder 3 Monate, je nach Landesvertretung) muss man dann bei dem entsprechenden Konsulat vorstellig werden, ein Formular ausfüllen, zwei Passfotos sowie eine Kopie des Reisepasses abgeben, das Visum bezahlen und am Ende des Tage sein Visum abholen. Ich hatte in verschiedenen Berichten aus Reiseführern/Internet verschiedene Darstellungen gelesen. Einigen zufolge konnte man das Visum am Tag selber bekommen, anderen zufolge hatte man die Wahl zwischen einem normalen Visum, auf das man einige Tage warten müsse, und einem etwas teureren Express-Visum.

Schritt 3 will ich also in Trabzon ausführen. Ich komme kurz vor 9 Uhr morgens am iranischen Konsulat an. Außer mir sind noch 2 andere Kerle da, von denen ich erfahre, dass sie innerhalb von 2,5 Jahren die Welt mit dem Fahrrad umrunden wollen. Wir warten. Und warten. Und warten. Kurz vor halb 10 öffnet eine ziemlich schlecht gelaunte Frau die Tür. Sie lenkt uns hinein und weist uns an, Platz zu nehmen ("Sit!") Ich gebe ihr meinen Reisepass, zusammen mit der Referenznummer. Sie durchblättert den Pass (wahrscheinlich sucht sie nach einem israelischen Stempel) und reicht ihn an einen etwas freundlicheren Kollegen weiter. Und dann warte ich. Und warte. Und warte. Nach einer halben Stunde kommt der Kollege zurück, ich bekomme das berüchtigte Visum-Antragsformular, ein Überweisungsformular für die Visumkosten (50 Euro) und die Information, dass ich mein Visum nach einer Woche abholen könne. Als ich frage, ob es eine Möglichkeit gäbe, die Prozedur ein wenig zu beschleunigen, meint die nette Dame schlicht: "Of course not!" und schaut mich dabei an, als ob aus meinem Kopf ein dritter Arm wachse. Als ich mich dann hinsetze, um schon mal das Formular in Ruhe auszufüllen, habe ich scheinbar den Bogen überspannt. "Go outside!", keift die Beamte mich an.

Draußen unterhalte ich mich nochmal mit den zwei weltradelnden Ungaren. Zu meinem Entsetzen sitzen die beiden seit 10 Tagen in Trabzon fest, weil sie im Konsulat nicht an ihr Visum herankommen. Genau wie ich wurden sie auch wieder auf die folgende Woche vertröstet. Ich fasse daraufhin ziemlich schnell den Entschluss, dass ich nicht in Trabzon auf mein Visum warten, sondern ein neues Visum in der iranischen Botschaft in Tiflis, Georgien beantragen werde; auch wenn das heißt, dass ich wieder bei Schritt 1 anfangen und nochmal 75 CAD bezahlen kann. Ich hoffe wirklich, dass der Iran das wert ist.

Der Grund, warum ich lieber in Tiflis auf das Visum warte als in Trabzon, ist ziemlich einfach: Georgien ist meiner Erfahrung nach für Alleinreisende wie mich das angenehmere Land. In der Osttürkei gibt es nämlich kaum Hostels (in Tatvan, Van, Erzurum und Trabzon habe ich nur in billigen Hotels geschlafen), was für mich bedeutet, dass es schwieriger ist, Anschluss zu finden. Ursprünglich hatte ich vorgehabt, in der Türkei Couchsurfing zu probieren und hatte in Van, Dyarbakir und Trabzon auch ziemlich viele Anfragen verschickt, hatte dann aber nur Absagen erhalten. In Trabzon kam ich dann zufällig mal mit einem Couchsurfer ins Gespräch, der mir klipp und klar erklärte, mein Problem sei, dass ich kein hübsches Mädchen bin.


Sumela
Um meinen letzten Bericht aus der Türkei dann doch noch versöhnlich ausklingen zu lassen: Der darauffolgende Tag war ziemlich gut. Ich hatte beschlossen, per Anhalter zum Sumela-Kloster zu fahren. Ich komme zuerst bei zwei Handwerkern unter, die unterwegs sind zu einer Baustelle in einem Dorf, das etwa 10 Kilometer vom Kloster entfernt liegt. Dort gehe ich dann in einen Laden, um Wasser zu kaufen, wo ich mit einem Türken ins Gespräch komme. Er erzählt mir, dass er in Dänemark wohnt und zurzeit mit seiner Familie auf Heimaturlaub ist. Spontan bietet er mir an, mich zum Kloster mitzunehmen. Und so gerate ich mitten in den Ausflug einer Großfamilie: neben dem Mann, seiner Frau und seiner vierjährigen Tochter (die irgendwie einen Narren an mir gefressen hat und mich ständig an der Hand haben will) sind auch die zwei Großmütter und die zwei Großväter dabei. Die Familie ist ganz begeistert, sich um einen Touristen kümmern zu können und macht als Erinnerungsstück ganz viele Familienfotos mit dem komischen Belgier. Und ich bin ziemlich beschämt, als mir die Familie auch noch den Eintritt bezahlt und ich es einfach nicht schaffe, das abzulehnen. Habe ich schon erwähnt, wie nett die Türken sind?

So, und das war die Türkei. Auch wenn nicht alles so geklappt hat, wie ich es mir vorgestellt hatte, die Städte nicht immer sehr angenehm sind und Unterkünfte ein Problem darstellen - die Leute sind unschlagbar und stellen für mich trotz der Kommunkationsbarrieren das Highlight dieses Landes dar.

Weiter geht es nach Georgien!








Burg in Van


Aussicht von der Burg




Akdamar - ein Vorgeschmack auf Armenien


Erzurum




Ein überraschend schöner Park in Trabzon


Trabzon


Hagia Sofia in Trabzon




Sumela




Sumela


Der omnipräsente Staatsgründer Mustafa Kemal Attatürk