Montag, 6. Juni 2016

Egal - Hauptsache, es frisst mich nicht!



Besonders viel hat die Regenjacke nicht gebracht.

Ob jetzt die simbabwische oder die sambische Seite der Victoriafälle schöner ist, ist Ansichtssache, schwer zu sagen und irgendwie auch vom Zufall abhängig. Bei mir ist es aber so, dass mir die Seite in Sambia einen Tick besser gefällt. Aber das mit der Regenjacke hätte ich mir wirklich sparen können - nass wird man so oder so.

Livingstone, die Stadt auf der Nordseite der Victoriafälle gibt mir auch mehr als Victoria Falls in Simbabwe - was allerdings nicht viel heißen will, wenn man bedenkt, wie entsetzlich ich Victoria Falls gefunden habe. Genauso wie in Victoria Falls hat man auch hier oftmals das Gefühl, dass man als Weißer für eine Art schlachtreifes Sparschwein gehalten wird, aber im Unterschied zu seinem simbabwischen Pendant ist das hier wenigstens eine richtige Stadt und nicht bloß ein reines Touristenghetto.

Wer es sich leisten kann und auf den einen oder anderen Adrenalinkick steht, für den ist Livingstone dann aber tatsächlich so etwas wie ein riesiger Spielplatz, von dem aus sich alle möglichen Aktivitäten - von Paragliding über Rafting und Bungeejumping bis hin zu langen Safari-Touren in Sambia, Simbabwe, Botswana und Namibia - organisieren lassen. Bei einigen Angeboten werde ich auch beinahe schwach, aber da ich noch einige etwas größere Ausgaben eingeplant habe und zudem nicht sicher weiß, wie lange die Reise noch dauern wird, halte ich mich zurück und belasse es bei der Besichtigung der Victoriafälle und des - ziemlich interessanten - Livingstone Museums.

Von Livingstone geht es weiter nach Lusaka, der Hauptstadt Sambias. Was kann man in Lusaka machen, was gibt es dort zu sehen? In einem Wort mit E: ejarnichts. Lusaka ist alles in allem eine typische charme- und charakterlose afrikanische Großstadt, die sich für mich vor allem darin auszeichnet, dass sie weitaus dreckiger und chaotischer ist als die Großstädte, die ich in Südafrika oder Simbabwe gesehen habe. Und noch zwei andere Dinge: Nach 9 Monaten auf Reisen erwische ich hier zum ersten Mal einen Taschendieb, der es beinahe geschafft hätte, mich um mein Portemonnaie zu erleichtern. Und ich werde hier zum ersten Mal als "Mzungu" bezeichnet. Vor allem letzteres gibt zu bedeuten, dass ich mich langsam aber stetig dem Zentrum Afrikas annähere.

So wie viele andere Länder auf dem Schwarzen Kontinent ist Sambia nicht nach einem Volk, einer Sprache oder einem gemeinsamen kulturellen Konzept benannt, sondern nach einer geographischen Begebenheit. Im Falle Sambias handelt es sich dabei um den Sambesi, den viertgrößten Fluss Afrikas, der quasi quer durchs ganze Land fließt und auch die Victoriafälle mit Wasser versorgt. Das Land selbst, geformt wie eine verschrumpelte Erdnuss, ist ein künstliches Erzeugnis aus kolonialitischer Zeit und ist Heimat verschiedener Stämme (u.a. Bembas, Tongas, Nyanjas, Ngonis und Lozis), nebst Indern und Chinesen. Im Unterschied zu vielen anderen afrikanischen Ländern (D.R. Kongo und Burundi fallen mir spontan ein), läuft dieses Zusammenleben in Sambia recht friedlich - worauf die Einwohner dieses Landes natürlich stolz sind. Tatsächlich scheint dieses Land - zumindest nach afrikanischen Standards - politisch einigermaßen stabil zu sein; auch der Regierung gegenüber herrscht eine etwas weiniger abwertende Einstellung als beispielsweise in Simbabwe oder Südafrika.

Von Livingstone geht es weiter Richtung Osten, in ein Dorf namens Tikondane. Aber bevor ich darüber schreibe, erst mal etwas über die Busfahrt. Man kann in Afrika nämlich - anders als oftmals gedacht wird - auch gut mit Bussen rumkommen. Also nicht mit den Minibussen, die ich schon beschrieben habe und die es natürlich auch in Sambia gibt, sondern stinknormale Busse. Was die Qualität der Busse betrifft, gibt es aber große Unterschiede: Am komfortabelsten, sichersten und zuverlässigsten sind wohl die Busse der südafrikanischen Gesellschaft Intercape, die auch Destinationen in den Nachbarländern Südafrikas ansteuert. (Sagt hier wer Schleichwerbung?) Auf der anderen Seite des Spektrums gibt es dann Gesellschaften wie Zambia-Malawi-Bus.

Vor allem bei diesen Busgesellschaften gibt es gewisse Dinge, die irgendwie typisch afrikanisch sind und die hier quasi zum Programm gehören. Ein paar Beispiele:

- Im Unterschied zu den Minibussen fahren die Busse nicht erst ab, wenn sie proppevoll sind; stattdessen haben sie einem festen Plan mit vorgesehenen Abfahrtzeiten. Trotzdem wird dann doch immer mit einer Verspätung von mindestens einer Stunde gestartet.

- Während man darauf wartet, dass der Bus startet, hat man die Gelegenheit, vertane Einkäufe nachzuholen oder den privaten Reiseproviant aufzufüllen, da der Bus von zig Verkäufern umzingelt wird, die einem durchs Fenster des Busses alles Mögliche (z.B. Softdrinks, Chips, Kekse, Obst, Maiskolben, hartgekochte Eier, rohe Eier im 24er-Pack, Zahnpasta, Zahnbürsten, Kämme, Einwegrasierer, Seife, Sonnenbrillen, Lesebrillen, Uhren, Schuhe, Krawatten, Handtaschen, ganze Säcke Kartoffeln, Kugelschreiber, Rechenmaschinen, Rucksäcke, Handyladekabel, DVDs usw.) verkaufen wollen. Das Ganze wiederholt sich jedes Mal, wenn der Bus anhält - selbst mitten in der Pampa.

- Auf beinahe jeder Fahrt passiert es auch, dass jemand plötzlich im Bus anfängt eine Predigt zu halten (für mich nur erkennbar, da das Wort Halleluja da sehr oft vorkommt), währenddessen den Bus andauernd von vorne bis hinten durchquert und am Ende den Passagieren ein religiöses Lied vorsingt. Das ist auch der einzige Moment, an dem die - meistens ziemlich laute - Musik abgedreht wird und alle anderen im Bus ruhig sind.

Während meiner Fahrt nach Tikondane passieren alle diese Dinge; außerdem ist die Busgesellschaft, mit der ich fahre und die den Namen Zambia-Malawi-Bus trägt, die erste, die ihren eigenen Song hat. Das weiß ich, da der Song während der ganzen Fahrt alle paar Minuten gespielt wurde. Und so ging ungefähr der Text: "La-la-la-la-la-la-la! Zambia-Malawi-Bus! Zambia-Malawi-Bus! Zambia-Malawi-Bus! Bus! Bus! Bus! Zambia-Malawi-Bus!" Und dann wurde irgend etwas gerappt. Die Fahrt dauerte übrigens 7 Stunden.

Der Bus bringt mich nicht direkt nach Tikondane, sondern in eine Kleinstadt namens Katete. Von dort sind es noch mal 2 Kilometer zum Dorf, die ich mich per Fahrradtaxi kutschieren lasse. Fahrradtaxis sind neu für mich: Das Prinzip ist, dass auf dem Gepäckträger des Fahrrads ein zweiter Sattel für Passagiere angebracht ist. Sofern man mit seinem Gepäck nicht aus dem Gleichgewicht gerät (was mir nicht passiert ist, aber meine Befürchtung war), funktioniert das eigentlich ganz gut.

Ein Dorf in der Nähe von Tikondane
Tikondane also. Dabei handelt es sich um ein Dorf im Südosten Sambias, nicht all zu weit von der Grenze zu Malawi entfernt. Hier befindet sich seit 2005 ein Gemeindezentrum, welches sich zur Aufgabe gemacht hat, in Tikondane und den umliegenden Dörfern nachhaltige Maßnahmen gegen die vielen Probleme zu ergreifen, die in vielen ländlichen Gegenden Afrikas typisch sind. Die Einführung fortschrittlichert Techniken im Agrarbau sowie Aufklärung bzgl. gesunder Ernährung stehen im Vordergrund (Mangelernährung wird als Problem Nr. 1 definiert); weitere Einsatzbereiche beinhaltemn AIDS-Counselling, Bildung (das Zentrum unterhält eine Gemeindeschule und eine Bibliothek) und handwerkliche Ausbildungen. Nach außen hin bietet Tikondane Besuchern die Möglichkeit, das "richtige" Afrika näherzubringen.

Nach einigen Tagen in Tikondane geht es weiter zu einem der Orte, für die ich ei etwas größeren Ausgabe vorgesehen hatte: dem South Luangwa National Park, an dem ich vorhabe, noch mal eine Safari zu machen. Anders als im Hluhluwe Nationalpark in Südafrika nehme ich mir diesmal etwas mehr Zeit, d.h. 2 Tage, mit jeweils einer vierstündigen Fahrt morgens und einer im späten Nachmittag/in der Nacht. Das Coole an einer Safari ist eigentlich weniger die alleinige Tatsache, dass man exotische Tiere wie Zebras, Giraffen usw. zu sehen bekommt (dafür kann man auch in den Zoo), sondern eher, dass man diese Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum erlebt und ein Gespür dafür bekommt, wie das Miteinanderleben in der Wildnis (sprich: Wer frisst wen?) funktioniert. Gerade dafür lohnt es sich aber, etwas mehr Zeit zu investieren und mehr als eine Fahrt zu machen (und das ist jetzt nichts, was die Anbieter mir gesagt haben, sondern eine Feststellung, die ich für mich selbst gemacht habe). Und ein guter Guide ist natürlich auch einiges wert.

Die Lodge, in der ich übernachte und von der aus die Game Drives organisiert werden, liegt zwar nicht genau im Nationalpark, befindet sich aber am Ufer des Luangwa-Flusses, nach dem der Park benannt ist. Das Gebiet des Parks beginnt am anderen Ufer. Wärend wilde Tiere sich tagsueber grösstenteils im eigentlichen Nationalpark aufhalten, ist es nicht unüblich, dass sie ihn abends auf der Suche nach Essbarem verlassen. Dass Nilpferde oder Elefanten auf dem Gelände der Lodge herumspazieren, ist deshalb nicht besonders ungewöhnlich. Es gelten daher spezielle Sicherheitsregeln: Eigene Nahrungsmittel aus dem Gepäck beispielsweise müssen beim Empfang abgegeben werden (man will nachts ja keinen unerwünschten Besuch haben), außerdem darf man sich nach Sonnenuntergang nicht ohne Security über das Grundstück bewegen.

Einige Highlights aus den 2 Tagen im South Luangwa N.P.:

- Afrikanische Wildhunde. Sehr schwierig zu Gesicht zu bekommen und sehr unterhaltsam zu beobachten. Außerdem eigentlich ziemlich potthässliche Tiere.






- Zwei Leoparden. Der einzige von den Big 5, den ich im Hluhluwe nicht gesehen hatte. Einer davon auf der Jagd.



- Ein Löwe (mit richtiger Mähne!), der sich noch ein wenig vom Freitagabend erholen muss.




- Richtig viele Antilopen, Zebras, Giraffen und vor allem Elefanten.









- Außerdem die unglaublichsten Sonnenauf- und -untergänge, wo gibt. Könnte mich wahrscheinlich für den Rest meines Lebens damit verdingen, dass ich meine Fotos als Vorlagen für Motivationsposter (SUCCESS! PERSISTENCE! CHALLENGE! ACHIEVEMENT! AWESOMENESS!) verkaufe. Sind die eigentlich noch in?







Vom South Luangwa Nationalpark geht es dann in ein weiteres Land: nach Malawi. Fortsetzung folgt. So. Das war dann also Sambia. Da ich diesmal echt nicht weiß, wie ich Schluss machen soll, gibt es diesmal eine kleine Geschichte, die nicht ich erlebt habe, sondern zwei Engländer, die ich in meiner Lodge im South Luangwa getroffen habe. Schauplatz ist der Zambia-Malawi-Bus. Aber bitte nicht auf vollem Magen lesen:

Die beiden sind einen Tag nach mir unterwegs im Bus von Lusaka Richtung Osten. Auch ihnen geht dieses Zambia-Malawi-Bus! Bus! Bus! Bus! tierisch auf den Senkel. Nach etwa drei Stunden, mitten in der Pampa, überquert ein große Kuhherde die Straße. Kein Bauer in Sicht. Wer denkt, der Bus würde halten oder zumindest bremsen, der war noch nie in Afrika. Kennen die hier nicht. Der Busfahrer hupt. Und die Kühe wissen nicht, was sie tun sollen (wahrscheinlich weil sie Kühe sind (und Kühe Idioten sind)). Die Kühe reagieren also nicht und der Bus fährt bei vollem Tempo in die Herde hinein. Ein unglückliches Tier kommt unter die Räder - damit hatte der Fahrer wohl nicht gerechnet. Der Bus hält an - Bauer immer noch nicht in Sicht - puh, Glück gehabt. Also fährt der Bus noch gute 200 Meter, immer noch mit einer Kuh unter den Rädern, bis der Fahrer anhält und das blutige Etwas, das weder lebt noch richtig tot ist, befreit und im Straßengraben verscharrt. Problem gelöst. Bus! Bus! Bus! Zambia-Malawi-Bus!

Viele Grüße!



Eine Hyäne


Katete, eine Kleinstastadt bei Tikondfane

Auf einer Krokodilfarm nahe Lusaka