Freitag, 29. April 2016

Zululand, Swasiland und Soweto



Der Sani-Pass im Süden Lesothos bildet die Kulisse für den wahrscheinlich beeindruckendsten Grenzübergang auf meiner Reise. Auf einer Höhe von etwa 2800 Metern befindet sich der lesothische Grenzposten, dahinter geht es etwa 15 Kilometer auf einer sagenhaft schlecht unterhaltenen Straße runter bis zum südafrikanischen Posten. Dass hier mal ein Wagen durchfährt, ist eine echte Seltenheit - der Job der lesothischen Grenzbeamten scheint nicht der Schlechteste zu sein: Bei den 10 Autos, die vielleicht die Grenze passieren, gibt es bestimmt keinen Stress, und zudem hat man noch eine grandiose Aussicht direkt vor der Nase.

Da diese Grenze aber so abgelegen und wenig befahren ist, ist es für mich nicht ganz klar, ob und wie ich hier mit den Öffentlichen weiterreisen kann. Ich beschließe daher, früh morgens aufzubrechen und die Grenzstraße notfalls zu Fuß zu passieren.

Nachdem ich mir an der lesothischen Grenze meinen Austrittsstempel besorgt habe, geht es also los Richtung Südafrika. Je weiter ich komme, um so mehr weicht die kühle Morgenluft Lesothos einer eher schwülen Hitze, und irgendwann laufen auch wieder Affen durch die Gegend. Nach einer Stunde zu Fuß setze ich mich hin. Es dauert nicht lange, bis ein - ausnahmsweise mal nicht proppevoller - Minibus vorbeikommt und mich für den verbleibenden Weg ins südafrikanische Dorf Underberg mitnimmt.

Dort erwische ich dann einen weiteren Minibus nach Pietermaritzburg, der Hauptstadt der Provinz KwaZulu-Natal. Meine Ansprüche sind recht niedrig; alles was ich für heute brauche, ist eine Waschmaschine: Nach 10 Tagen in den Highlands Lesothos kann ich mich selbst nicht mehr riechen. Von Pietermaritzburg gibt es nichts Besonderes zu sagen: typische südafrikanische Stadt mit einem Mix aus holländischer und englischer Architektur, dazwischen viele Einkaufszentren und Fast-Food-Ketten, halt eine Stadt wie es hunderte gibt in diesem Land. Nach einer Nacht breche ich wieder ziemlich früh auf, nicht zuletzt, da es in meinem Hostel die Waschmaschine kaputt ist.

Meine nächste Station ist Durban, die größte Stadt KwaZulu-Natals. Durban gilt als Zentrum der südafrikanischen Surferszene und als multikulturellste Stadt des Landes; neben Schwarzen, Weißen und Coloreds ist hier auch der hohe Anteil an Indern stark bemerkbar. Und obwohl Durban nur drei Fahrstunden vom Sani-Pass entfernt ist, ist das Klima radikal anders - ich bin hier wieder in den Tropen und ganz eindeutig auch zurück im Sommer.

Ich verbringe eigentlich nur zwei Tage in Durban und mache eine geführte Tour mit, die vom Besitzer meines Hostels angeboten wird - was eigentlich nicht mein Ding ist, aber die Tour bringt mich zu einem afrikanischen Medizinmarkt und einigen anderen kuriosen und wenig touristischen Ecken der Stadt, die ich alleine wahrscheinlich nicht zu sehen bekommen hätte.

Von Durban aus geht es weiter in ein Dorf namens St. Lucia. Reiseführer und Internet behaupten zwar eisern, dass man hier nur mit dem eigenen Auto oder über vorgebuchte Touren hin kann, aber mit den Minibussen ist das eigentlich nicht wirklich schwierig. St. Lucia ist eigentlich nichts weiter als eine Anreihung von Hotels und Restaurants, also alles andere als ein authentisches afrikanisches Dorf, liegt aber in der Nähe zu zwei bekannten Nationalparks Südafrikas: auf der einen Seite dem Hluhluwe-National-Park, auf der anderen Seite den St.Lucia-Wetlands - beides Orte, die für ihre reiche Tierwelt bekannt sind.

Am ersten Tag nach meiner Ankunft unternehme ich mit zwei Deutschen eine Safari durch den Hluhluwe-Nationalpark, geführt von einem älteren Afrikaaner. Es ist eigentlich meine erste richtige Safari, aber wir haben richtiges Glück: Wir bekommen 4 von den "Big 5" zu sehen (Nashorn, Büffel, Elefant, Löwe, leider keinen Leoparden), inklusive einem schwarzen Nashorn, was eine richtige Seltenheit ist, und zwe Rudeln Löwen. Und dann natürlich auch Giraffen, Zebras, Kudus, Gnus, Wildschweine und Antilopen, aber das ist beinahe Standard. Zum Abschluss der Tour bezeichnet uns unser Guide als goddamn lucky bastards und empfiehlt uns, nie wieder auf Safari zu gehen - nach dem massiven Glück, das wir an diesem halben Tag hatten, würden wir beim nächsten Mal wahrscheinlich enttäuscht werden.

Tagsdrauf bekomme ich auf einer Bootstour noch einiges von der Tierwelt in den Wetlands zu sehen: Neben Krokodilen und Nilpferden gibt es hier auch eine große Menge an Vogelspezien.

Von St. Lucia geht es weiter nach Swasiland. Die Reise dorthin stellt sich wieder als etwas umständlich heraus: Die ersten paar Kilometer nimmt mich ein anderer Backpacker aus meinem Hostel mit, dann: warten - Bus - lange warten - Bus - Rumstehen am Straßenrand - Autostopp - Grenzübergang - Bus - warten - Bus. Als die afrikanische Sonne die hügelige Landschaft Swasilands in tiefes Rot tunkt, nehme ich mir im erstbesten Hotel ein Zimmer - mein eigentliches Ziel für den Tag habe ich nicht erreichen können.

Tagsdrauf geht es dann frühmorgens weiter. Während ich am Straßenrand auf den Bus warte, treffe ich per Zufall einen Österreicher wieder, den ich eine Woche vorher in St. Lucia kennengelernt hatte und der in Afrika mit dem Fahrrad unterwegs ist. Währed wir uns noch darüber wundern, wie klein die Welt doch ist, kommt ein Minibus und die Reise geht für mich weiter.

Im Vergleich zu Lesotho hat Swasiland, zumindest was die öffentlichen Verkehrsmittel und die Transport-Infrastruktur betrifft, einige klare Vorteile. Im Unterschied zu Lesotho sind in Swasiland nämlich die Straßen recht gut, sodass man innerhalb weniger Stunden in dem kleinen Land überall hinkommen kann. Außerdem - und das läuft hier auch besser als in Südafrika - gibt es hier viele von diesen Minibussen, weshalb man selten lange warten muss. Zudem werden die Busse nicht unbedingt immer auf Biegen und Brechen voll gemacht, und die Musik wird auch nicht so laut aufgedreht, dass man nicht mehr weiß, wo oben und unten ist. Kurzum: Swasiland lässt sich mit den Minibussen sehr viel angenehmer bereisen als Südafrika oder Lesotho.

Ich verbringe einige Tage in Ezulweni, einem kleinen Dorf zwischen Mbabane, der winzigen Hauptstadt des Landes, und Lobamba, dem Residenzort des Königs. Highlight meiner paar Tage in Swasiland ist eine Fahrradtour, die mich von Ezulweni am Königspalast vorbei durch einige Dörfer zum Mlilwane-Reservoir bringt. Als ich da durchfahre, werde ich abwechselnd von Zebras, Kudus und Gnus begleitet, die neben mir langhoppeln. Das war richtig gut!

Nach drei Tagen in Ezulweni geht es weiter nach Johannesburg. Obwohl Johannesburg das finanzielle und wirtschaftliche Zentrum Südafrikas ist, ebenso wie die größte Stadt des Landes, gehört es nicht zu den drei Hauptstädten der Regenbogennation. Nachdem ich nachmittags im ziemlich verregneten Zentrum Jo'burgs ankomme und einen Taxifahrer finde, der willens ist, mich durch den albtraumhaften Stoßzeitenverkehr der Metropole zu kutschieren, kann ich mir eine ganze Reihe (fehlschlagende) Appelle an meine Vernunft anhören: Warum ich denn um alles in der Welt nach Soweto wolle? Weshalb ausgerechnet Soweto? Soweto - ernsthaft? Als wir nach einer ziemlich langen Stadtfahrt im Schneckentempo endlich an meinem Hostel ankommen, startet mein Taxifahrer einen letzten Versuch: Wenn ich nicht hier bleiben wolle, würde er mich auch gerne ins Stadtzentrum zurückbringen.

Die Sache mit Soweto ist folgende: Der Name ist eine Abkürzung für South Western Townships und ist die allgemeine Bezeichnung für eine ganze Reihe an Wohnvierteln im Südwesten Johannesburgs, in dem etwa 3 Millionen Menschen leben. Von diesen 3 Millionen Einwohnern sind genau 5 weiß. Während der Apartheids-Ära war Soweto das Schwarzen-Ghetto der Stadt. Historische Bedeutung erlangte Soweto vor allem durch die Aufstände gegen das Apartheids-Regime 1976, während derer etwa 20.000 Schüler gegen das ungerechte Bildungssystem rebellierten, was Ausschreitungen zur Folge hatte, in deren Verlauf rund 600 Menschen durch die Polizei getötet wurden.

Mittlerweile gilt Soweto, vor allem für schwarze Südafrikaner, als der kulturelle Mittelpunkt des Landes. Zudem ist es der einzige Ort auf der Welt, wo zwei Nobelpreisträger in derselben Straße gelebt haben: Desmond Tutu und Nelson Mandela. Während Soweto anscheiend immer noch ein wenig der schlechte Ruf aus dunkleren Zeiten anhaftet (siehe Taxifahrer), sagen pure Statistiken etwas anderes aus: Demzufolge ist Downtown-Johannesburg weitaus gefährlicher als Soweto.

Von dem exzellentem Hostel aus, in dem ich übernachte, unternehme ich eine ziemlich interessante geführte Fahrradtour durch die Townships. Anschließend, es ist Freedom Day in Südafrika, der Tag, an dem die ersten freien Wahlen nach der Apartheid gefeiert werden, geht im Park gegenüber von meinem Hostel voll die Fete ab: Gute Musik, gutes afrikanisches Essen (geröstete Raupen, mmmmmhhhhh...), nette Leute, guter Abend. Am darauffolgenden Abend findet in der Nähe des Hostels ein sogenanntes Storytelling statt: Leute aus der Nachbarschaft setzen sich ums Lagerfeuer und ein paar etwas Ältere erzählen Geschichten aus der Vergangenheit. Auch sehr sehr gut...

Ich weiß nicht, woran es liegt, aber je mehr ich in Afrika reise, um so besser gefällt es mir hier. Dafür, dass der Kontinent für viele als unbereisbar gilt, vor allem ohne Auto, klappt es eigentlich ganz gut. Aber Südafrika war eigentlich nur der Anfang - es folgte die große Unbekannte auf meiner Karte: Simbabwe...



















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