Samstag, 31. Oktober 2015

Das Dach der Welt (Teil 1)

Der hier ist für dich, Papa.



Durchs Gebirge latschen? Kommt nicht in Frage! Als Szenerie stört es nicht weiter... Wie man aber Freude daran haben kann, über diese Steinhaufen zu klettern, verstehe ich nicht. Man muss ja doch immer wieder herunter...

Kapitän Haddock hat Recht. Mann, Mann, Mann, habe ich mich vielleicht dieser Tage gehasst. Tage über Tage durch den Himalaya wandern, mit nicht unbedingt leichtem Gepäck auf dem Rücken und zunehmend stinkender Kleidung am Körper; die Nächte in unglaublich kalten Schlafräumen verbringen, nur um am nächsten Tag weiterzuziehen - und das Ganze auch noch freiwillig! Wie um alles in der Welt konnte ich das nur für eine gute Idee halten?

Und doch - der Annapurna-Circuit im nepalesischen Hochgebirge war möglicherweise einer der absoluten Höhepunkte meiner Reise und an für sich eine ziemlich intensive Erfahrung - vielleicht nicht immer lustig, bestimmt nicht immer angenehm, und ich gebe auch gerne zu, dass ich ab und zu (meist gegen Ende des Wandertages) lieber an irgendeinem Strand auf der faulen Haut gelegen hätte. Aber den Himalaya in seiner Vielfalt, Schönheit und Immensität zu erleben, sich von ganz unten (quasi dem Dschungel) bis nach ziemlich weit oben (5416 Meter immerhin) hochzuarbeiten und mit eigenen Augen sehen, wie klein der Mensch im Vergleich zur Natur... aber was schwafle ich hier herum, die Fotos kommen ja gleich, sehet selbst.

Bevor ich es vergesse - ich habe den Annapurna-Circuit nicht alleine bewältigt. Am 8. Oktober nämlich verdoppelt sich die Anzahl Pascals in dieser Fortsetzungs-Story. Ab jetzt werde ich bis Ende des Monats von niemand Geringerem begleitet als dem Pascal S. aus Kettenis. Nicht zu verwechseln mit dem Pascal S. aus Eupen, das bin nämlich ich. Pascal S. aus dem Dorf K., das ist der grüne Rucksack, der im Folgenden ab und zu durchs Bild huscht. Und noch eine Erklärung - wenn ich hier einen Pascal erwähne, meine ich ihn und nicht mich... es sei denn, mir steht der Sinn danach, ein wenig Vewirrung zu stiften.

Im Unterschied zu meiner Wenigkeit bringt Pascal eine gehörige Portion an Vorwissen und Vorbereitung mit. Während ich gerade mal weiß, dass es sehr weit rauf gehen wird und dass es da oben bestimmt weitaus kälter ist als hier unten, hat er sich bereits mit den einzelnen Tagesetappen und den nötigen Maßnahmen zur Akklimatisation auseinandergesetzt. Der Annapurna-Circuit, das sollte man vielleicht wissen, ist ein Rundweg um ein Bergmassiv im Himalaya, dessen höchster Gipfel, Annapurna I, 8.091 Meter hoch und somit der zehnthöchste Berg der Welt ist. Der Rundweg, einer von mehreren Fernwanderwegen in der sogenannten "Annapurna Conservation Area", ist neben dem Everest-Basecamp-Trek der populärste Wanderweg Nepals. Beliebt ist der Weg hauptsächlich aus 2 Gründen: Zum einen ist er aufgrund der großen Höhenunterschiede sehr abwechslungsreich, zum anderen ist er trotz allem recht einfach zu begehen.

Genug der vielen Einleitungsworte, hier kommt die Zusammenfassung unserer zwei Wochen auf dem Annapurna-Circuit.

Tag -1: Nach Pascals Ankunft am Vorabend verbringen wir noch einen Tag in Kathmandu, an dem wir uns hauptsächlich mit der administrativen Vorbereitung auf den Trek auseinandersetzen. Dazu gehört die Erlangung einerseits der Permit für den Trek und andererseits einer TIMS-Card, anhand derer in Schwierigkeiten geratene Wanderer ohne Guide einfach aufgespürt werden sollen. Alles in allem kostet dies jedem von uns 4000 Rupien (etwa 36 Euro).

Tag 0: Wir stehen früh morgens auf, um rechtzeitig den Bus nach Pokhara zu erwischen. Da die Strecke Kathmandu-Pokhara bei Touristen sehr beliebt ist, können wir hier einen Touristen-Bus nehmen. Diese Busse haben zwar den Nachteil, ein gutes Stück teurer zu sein als die herkömmlichen nepalesischen Local-Busse, sind dafür aber auch weitaus angenehmer. (Von den ultrakomfortablen Bussen im Iran sind sie aber immer noch Lichtjahre entfernt.) Nach guten 7 Stunden Fahrt erreichen wir Pokhara und werden beim Verlassen des Busses direkt von einer Schar Touts belagert, die uns Unterkunft, Transport, Guides und Porter anbieten wollen. Dabei fällt uns eine ziemlich gute Rollenverteilung zwischen uns beiden auf: Der eine Pascal ist ganz klar eher Tim (freundlich und besonnen), der andere ist eher Kapitän Haddock (weniger freundlich, dreist beim Verhandeln). Wir schaffen es aber, relativ unbehelligt in einem billigen Hotel einzuchecken, machen ein paar letzte Besorgungen (wir brauchen Polarschlafsäcke, in denen man auch bei Minustemperaturen angenehm schlafen kann). Anschließend packen wir unsere Rucksäcke für die große Wanderung, was weitaus mehr Zeit in Anspruch nimmt als erwartet.

Tag 1: Es geht los. Wir stehen wieder vor Sonnenaufgang auf, um den Bus von Pokhara nach Besisahar zu nehmen, dem klassischen Startpunkt des Annapurna-Circuits. Die Fahrt, diesmal wieder in einem typisch nepalesischen Bus, allerdings zu Touristen-Preisen, stellt sich als ziemlicher Geduldstest heraus - statt der 3 Stunden auf die wir uns eingestellt haben, dauert die Fahrt gute 4,5 Stunden; aber zumindest sitzen wir nicht auf dem Dach. In Besisahar (760 m ü.d.M.) müssen wir uns zuerst in einem Büro mit unserer Permit und unserer TIMS-Karte registrieren, essen zu Mittag und brechen anschließend auf. Mit dabei ist auch ein Holländer names Jelle, der sich uns in Besisahar angeschlossen hat, um den Circuit nicht alleine bewältigen zu müssen.

Wir legen los mit einem ordentlichen Tempo. Zwar müssen wir hier noch einer folgen; allerdings ist diese bei weitem nicht so befahren wie befürchtet; zudem gibt es noch nicht all zu viele Höhenmeter zu bewältigen, was diese erste Tagesetappe eigentlich zu einem sehr angenehmen Einstieg macht. Nach etwa dreieinhalb Stunden wandern erreichen wir Ngadi (930 m), wo uns direkt ein ziemlich freundlicher Nepalese abfängt und uns eine Unterkunft zum unschlagbaren Preis von 0 Rupien anbietet. (Am nächsten Morgen, o Wunder, wird die Übernachtung dann doch ein bisschen mehr kosten).
Straße

Am Abend dann werden wir von unserem Gastgeber mit Dal Bhat gemästet, dem klassischen nepalesischen Gericht schlechthin, bei dem man Reis, Gemüse-Curry, Linsensuppe, Chili und rohes Gemüse nach Belieben miteinander kombinieren kann. Der große Vorteil von Dal Bhat ist, dass man hier beinahe ausnahmslos immer gratis Nachschlag bekommt; der Nachteil besteht darin, dass es nicht immer gut aufgenommen wird, wenn man es beim Verzehr von "nur" einer Portion belässt. Mit diesem Abendessen ist nun auch ein Leitmotiv für unsere Wanderung entstanden: Während der eine Pascal sich während der nächsten zwei Wochen von kaum etwas anderem ernähren wird als Dal Bhat, wird dem anderen beim bloßen Gedanken daran schon schlecht.





Tag 2: Nachdem es während der Nacht ordentlich geregnet hat (für mich der erste Regen seit 40 Tagen...), verkündet uns Jelle am Morgen, dass er die Wanderung aus verschiedenen Gründen abbrechen muss. Wir setzen den Trek nun als Duo fort. Nach dem Spaziergang vom Vortag wird heute zum ersten Mal richtig gestiegen. Unser Weg führt durch sehr üppige subtropische Vegetation und an unzähligen Wasserfällen entlang. Als wir am Ende des Tages in Chamje (1430 m) ankommen, steckt uns der Tag ganz schön in den Knochen. Nebenbei - Ironie des Schicksals: Während der eine Pascal den ganzen Tag mit kurzer Hose rumgelaufen ist, hat der andere, sehr viel vernünftiger gekleidete, Pascal einen ziemlich fiesen Insektenbiss zum Andenken erhalten. Wo steckt da bloß die Gerechtigkeit?






Tag 3: Allmählich ändert sich die Vegetation. Tatsächlich könnte man hinter Chamje irgendwo im Allgäu oder in den Schweizer Alpen sein. Die heutige Etappe führt durch eine Art Canyon, der sich schon am Vortag angedeutet hat. Es gilt, mehrere anstrengende Aufstiege zu meistern, die in puncto Höhenmeter vielleicht nicht allzu anspruchsvoll sind, sich aber vor allem aufgrund der sehr sonnenexponierte Lage des Weges als recht anstrengend erweisen. Auch wenn dieser Tag landschaftlich durchaus reizvoll ist, erreichen wir heute beide einen Punkt, an dem uns das Wandern ein wenig auf die Nerven geht, sodass wir sehr froh sind, am frühen Nachmittag Dharapani (1860 m) zu erreichen.








Tag 4: Langsam wird es kalt. Nachdem wir nachts zum ersten Mal unsere Polarschlafsäcke testen konnten, starten wir am Morgen in alter Frische und in dem Wissen, dass die heutige Etappe auch alles andere als easy wird. Es steht nämlich heute wieder ein ordentlicher Anstieg an, der anderthalb Stunden dauert uns rauf nach Timang (2750 m) bringt. Nachdem wir dort eine Mittagspause eingelegt haben, sind die verbleibenden wenigen Kilometer nach Chame (2670 m) sehr angenehm zu gehen. Leider zieht sich der Himmel kurz vor unserer Ankunft in Chame noch ziemlich zu.






Tag 5: Schluss mit lustig. Heute geht es nach Pisang (3200 m). Wir beide brechen somit heute unseren Höhenrekord, der für uns beide bislang um die 3000 Meter über dem Meeresspiegel betragen hat. Die Dreitausenderschwelle bedeutet für uns auch, dass wir ab jetzt darauf achten müssen, nicht höhenkrank zu werden. Höhenkrankheit, kurz zusammengefasst, bedeutet, dass der Körper sich nicht an den niedrigeren Sauerstoffgehalt da oben anpassen kann, und kann, wenn es hart auf hart kommt, lebensbedrohlich sein. Die wichtigsten Maßnahmen, die es hiergegen zu treffen gilt, lauten: langsam gehen, keine zu großen Höhenunterschiede in einen Tag packen, und viel trinken.

Trotz all dem ist der heutige Tag weitaus angenehmer als die zwei letzten; vor allem da heute kein richtig steiler Anstieg auf dem Programm steht. Auch landschaftlich tut sich wieder einiges: Die Bewaldung wird sehr viel lichter, sodass wir uns nicht mehr in den Alpen, sondern eher in irgendeinem Nationalpark an der amerikanischen Westküste wähnen. Einzieger Wermutstropfen des Tages: Mit Pisang erreichen wir eigentlich das "Heartland" der Annapurna-Region. Eigentlich müssten wir hier einige Siebentausender zu sehen bekommen. Diese verstecken sich allerdings weitestgehend hinter einer ziemlich dicken Wolkendecke.







Tag 6: Ein vorläufiges Highlight auf unserem Trek. Wobei, das "vorläufig" kann ich auch streichen. Der heutige Tag ist fett, fett, fett. Es grüßt uns am Morgen ein klarer blauer Himmel und der ungetrübte Anblick von Annapurna II (7937 m) und Annapurna IV (7525 m). Es geht zunächst über einen anstrengenden Anstieg rauf nach Ghyaru (3670 m), von wo aus wir runterwandern nach Manang (3540 m). Hier haben wir vor, einen Tag Pause zu machen, um uns ein wenig zu erholen und um uns an die Höhe zu gewöhnen. Schließlich sind es noch beinahe 2000 Höhenmeter, die uns vom Thorung-La-Pass, dem höchsten Punkt des Treks, trennen.















Tag 7: Wie üblich wache ich kurz vor 6 Uhr auf, als ich plötzlich

Fortsetzung folgt.

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