Mittwoch, 7. Oktober 2015

Kathmandu



Kathmandu ist laut, stressig und verdreckt. Die Erdbeben vom April und Mai haben in der Stadt deutliche Spuren hinterlassen. Durchquert man Thamel, den touristischen Teil der Stadt, wird man alle paar Sekunden abwechselnd auf Haschisch, Rikscha-Transporte oder überteuerte Trekking-Touren angesprochen, derweil man dauernd darauf achten muss, von keinem der unzähligen Motorräder über den Haufen gefahren zu werden. Stromausfälle sind an der Tagesordnung, das Leitungswasser gilt als das gefährlichste der Welt, und die Luft, die man hier atmet, ist etwa genau so gesund wie der Konsum von 50 Zigaretten am Tag. 

Ich mag diese Stadt.

Kathmandu ist nämlich auch die exotischste Stadt, die ich bisher besucht habe. Möglicherweise liegt das auch daran, dass es das erste Mal im
Durbar Square
"richtigen" Asien für mich ist; und ganz bestimmt sollte man auch den Touristen-Kitch im Touristenghetto in Thamel nicht für bare Münze nehmen. In Kathmandu sehe ich aber auch zum ersten Mal Dinge wie hinduistische und buddhistische Tempel, freilaufende Affen, Fahrrad-Rikschas, tibetanische Mönche, Gurus und Schulen, die solch unmögliche Namen wie "Swastika College" haben. Das Essen ist das leckerste, das ich auf Reisen jemals gegessen habe. Die Stadt hat Flair, das will ich damit sagen.

Und wie sieht es jetzt hier nach dem Erdbeben aus? Nun, wie gesagt ist das Beben nicht spurlos an dieser Millionenmetropole vorbeigegangen. Leerstehende Grundstücke, auf denen unsystematisch verteilte Ziegelsteine daran erinnern, dass hier mal ein Haus stand, sind keine Seltenheit. Es wird sehr viel gebaut, und es wird noch ebenso viel aufgeräumt. Es hat sich allerdings ein gewisser Alltag eingependelt; die Stadt ist nach wie vor sicher und auch sehenswert.

Swayambhnat
Nach meiner nächtlichen Ankunft verbringe ich zunächst zwei Tage in Nepals Hauptstadt, während derer ich einige Besorgungen in Hinblick auf den Annapurna-Rundweg mache, ein wenig überlege, was ich während der nächsten paar Tage unternehmen kann (ich habe noch nie so wenig vor meiner Ankunft über ein Land gewusst wie über Nepal) und mir zwei Sehenswürdigkeiten im Stadtzentrum anschauen gehe: zunächst den Affentempel Swayambhunat, wo mich die steilste Treppe erwartet, die ich jemals gesehen habe; später dann den Durbar-Platz - dieser wurde zwar während des Erdbebens stark beschädigt, ist aber immer noch schön anzuschauen.

Ich beschließe, Kathmandu für einige Tage zu verlassen, um die umliegende Region zu Fuß zu erforschen. Um Nagarkot, meine erste Station zu erreichen, verlasse ich Kathmandu auf typisch nepalisische Manier: auf dem Dach eines Busses. Zusammen mit etwa zwanzig anderen Passagieren, für die es im schon ziemlich engen Innenraum des Busses keinen Platz mehr gab, zwänge ich mich aufs Deck. Das ist
zwar nicht ganz ungefährlich und alles andere als angenehm für die Sitzmuskulatur, und auch der Moment, als ich von einem Leitungskabel erfasst werde, ist alles andere als ein Highlight; dafür haben wir aber die beste Aussicht, als der Bus Kathmandu mit all seinem Smog und Beton hinter sich lässt und das etwas grünere Umland ansteuert. Da ist es auch verschmerzbar, dass der Bus nach 20 Minuten eine Reifenpanne erleidet. 

Zusammen mit Antoine, einem Franzosen, den ich am Vortag im Hostel kennengelernt habe, verbringe ich einen Tag in Nagarkot. Hierbei handelt es sich um ein Dorf in wirklich hübscher Lage, dessen Hauptattraktion in einem nahe gelegenen Aussichtsturm besteht, von dem man bei guter Witterung den Mount Everest sehen kann. Leider ist die Luft nicht all zu klar, sodass uns dieser Genuss vorerst nicht vergönnt ist.

Landschaft zwischen Nagarkot und Dulikhel
Am nächsten Tag trennen sich unsere Wege, als ich meine mehrtägige Wanderung starte. Die erste Tagesetappe verläuft zunächst durch eine Art Dschungel; nachdem ich diesen verlassen habe, führt mein Weg an Reisterrassen (einem typisch asiatischen Anblick) vorbei. Ich durchquere auch mehrere Dörfer, die oftmals nicht mehr sind als eine große Baustelle und deren Einwohner ganz offensichtlich gerade dabei sind, sich ihre zerstörte Existenz neu aufzubauen. Innerhalb von 3 Monaten auf Reisen ist das das erste Mal, dass ich mich als verhältnismäßig reicher Europäer vollkommen fehl am Platz fühle - sehr viele Menschen hier leben in einer Behausung, die oftmals nicht viel mehr ist als acht Holzbalken und ein bisschen Wellblech, und währenddessen laufe ich hier mit einer teueren Kamera herum und genieße die Natur. Naja.

Dass sich meine Wanderkarte als der letzte Schrott herausstellt, ist eher unbedeutend, da
Ein unliebsamer Zimmergenosse kurz vor seinem tragischen Ableben
ich auf dem Weg viele Nepalesen treffe, die sich immer über einen Plausch auf Englisch zu freuen scheinen und gerne Auskunft über die Fortsetzung des Weges erteilen. Zum Sonnenuntergang treffe ich dann in der Kleinstadt Dulikhel ein und quartiere mich in einem Gasthaus ein, das anscheinend zu Zeiten des Hippie-Banana-Pancake-Whatever-Trails eine Anlaufstelle für Langzeitreisende war. Die goldenen Zeiten scheinen hier aber längst vorbei zu sein; der sehr freundliche Besitzer beklagt sich über die schlecht laufende Saison, und ein Blick ins Gästeverzeichnis gibt ihm Recht: Ich bin der erste Gast seit dem 4. September.

Thrangu Tashi Yangste
Am nächsten Tag geht es weiter: Von Dulikhel geht es zunächst zum Dorf Namo Buddha, in dem sich das tibetanische Kloster Thrangu Tashi Yangste, eine der wichtigsten buddhistischen Pilgerstätten, befindet. Es folgt der Abstiegt, zunächst durch erneut dschungelartige Vegetation, später geht es dann unter erbarmungslos knallender Sonne an gefühlt hundert Reisfeldern vorbei.

Ich erreiche mein Ziel, die historische Stadt Panauti, diesmal etwas früher als am Vortag und genieße in einem Gasthaus zunächst einen Masala-Milch-Tee und etwas gebratenen Reis mit Gemüse für etwa 100 Rupien. Logis können mir die Besitzer des Gasthauses leider nicht anbieten - sämtliche Gästezimmer wurden während des Erdbebens zerstört. 

Panauti selbst ist als eine der ältesten Städte des Landes mit seinen gut erhaltenen
Panauti
Tempeln aus dem 15. Jahrhundert auch sehr hübsch. Nachdem ich die Nacht hier verbracht habe, kehre ich zurück nach Kathmandu - wieder per Bus, aber diesmal nicht auf dem Dach (und ich weiß nicht, ob ich sagen soll: "leider" oder "glücklicherweise"). In ein paar Tagen beginnt dann der vorläufige Höhepunkt dieser Reise: der Annapurna-Circuit. 18 Tage wandern im Himalaya, etwa 200 Kilometer, zwischen 790 und 5416 Metern ü.d.M. Das wird fett! Drückt mir die Daumen!

Zwischen Dulikhel und Namo Buddha (mit Aussicht auf das Langtang-Gebirge


Namo Buddha nähert sich

Das Innere des Klosters

Namo Buddha

Auf dem Weg nach Panauti

Panauti

Panauti

Panauti

Panauti

Durbar Square, Kathmandu

Sonnenuntergang über dem Himmalaya


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