Samstag, 1. August 2015

Schreibtischterror!

Ich bin sauer.

Ich meine, ich hatte ja nicht erwartet, dass es einfach würde, an das iranische Visum ranzukommen. In einem Land, in dem Hotelpreise durch ein "Ministerium für Kultur und islamische Führung" festgelegt werden, wird man wohl einige administrative Hürden überwinden müssen. Nicht erwartet hatte ich allerdings, dass ich nach Strich und Faden... Also nicht erwartet hatte ich, dass das Ganze quasi so ablaufen würde.


Tatvan
Aber vielleicht erzähle ich erst mal der Reihe nach. Als ich mich das letzte Mal gemeldet hatte, war ich in Mardin. Nach 4 Tagen dort breche ich mit Bela, einem Ungaren, den ich im Hostel kennengelernt hatte, auf. Unser Ziel ist der Vansee. Die Reise verläuft zwar ohne nennenswerte Zwischenfälle, ist aber schon um einiges ungemütlicher als die bisherigen Ortswechsel. Eigentlich sind die Busse nämlich wirklich 1A, man bekommt regelmäßig Getränke und Snacks serviert, es gibt Wi-Fi und jeder Passagier hat sogar seinen eigenen Bildschirm, auf dem er Tabla zocken oder sich irgendwelche türkishe Telenovelas reinziehen kann. Diesmal sind wir aber auf Minibusse angewiesen, in denen Tetris mit Menschen gespielt wird. Will heißen: Es ist sehr, sehr eng. Wir müssen auf unserer siebenstündigen Fahrt fünfmal den Bus wechseln, bis wir in Tatvan ankommen.


Mein Transport auf dem Vansee
Nach mehr als einer Woche in Südostanatolien ist es wirklich schön, nochmal vernünftige Temperaturen um die 30 Grad zu haben und Dinge zu sehen wie Wasser und Bäume. Ansonsten ist Tatvan allerdings nicht so spannend. Am nächsten Tag trennen wir uns: Bela will so schnell wie möglich nach Trabzon, während ich noch etwas länger am Vansee bleiben will. Ich reise an diesem Tag weiter nach Van, und zwar per Schiff. Ich hatte eigentlich erwartet, dass die Fähre zwischen Van und Tatvan so ein Touristending ist, aber da der Vansee tatsächlich komplett untouristisch ist, gibt es so etwas nicht. Stattdessen mache ich die Überfahrt auf einem alten, rostigen Güterfrachter, auf dem ich in der Tat die einzige Person bin, die nicht zur Mannschaft gehört. Während der fünfstündigen Fahrt sitze ich auf dem Deck, lese viel, genieße die Sonne und die schöne Landschaft. Ab und zu kommt jemand von der Crew vorbei, um sein Englisch zu üben, der Koch spendiert mir sogar ein Mittagessen. In Van angekommen setze ich mich dann in den Bus in die Innenstadt, wo mir ein junger Polizist, ohne dass ich gefragt hätte, direkt anbietet, mich zu meinem Hotel zu eskortieren. Habe ich eigentlich schon erwähnt, wie nett die Türken sind?



Die Burg in Van
Van selbst ist alles andere als eine Schönheit. Vor 4 Jahren fiel die Stadt einem Erdbeben Stärke 7,1 zum Opfer, was sehr deutlich Spuren hinterlassen hat. Sehenswert ist allerdings die Akdamar-Insel, die auf dem See etwa 30 Kilometer von der Stadt entfernt ist, sowie eine ziemlich coole Burg, die etwas abseits von Stadtzentrum liegt. 

Nach zwei Tagen in Van fahre ich weiter Richtung Norden. Die nächste Station ist Erzurum, eine überraschend hübsche Stadt mitten im Nirgendwo. Gut, hübsch ist vielleicht der falsche Begriff; hübsch war mit der Ausnahme von Göreme und vielleicht Mardin keine der Städte, die ich in der Türkei besucht habe. Aber es gibt ein paar hübsche Ecken, das will ich damit sagen. Die traurige Wahrheit in der Türkei ist, dass um die schönen Ecken in den Städten herum ein dermaßen geschmackloses Bauchaos veranstaltet wurde, dass den Städten jegliche Grazie abgeht und man sich fragen kann, ob dem Land überhaupt etwas an seinem kulturellen Erbe liegt. Die Autofahrer tragen hier auch ihren Teil bei. Selbst in ehemals kommunistischen Ländern (Albanien, Rumänien,...) habe ich das nicht als so schlimm empfunden wie hier in der Türkei.
Erzurum

Nach einem Tag in Erzurum geht es dann weiter nach Trabzon, dem Ort, wo ich mein iranisches Visum abholen will. Für das iranische Visum sind im Grunde eigentlich nur folgende Schritte einzuhalten:

1) Man muss über eine Agentur einen sogenannten "Reference Code" beantragen und in diesem Rahmen auch angeben, wo man mit dieser Referenznummer sein Visum abholt. Diesen Antrag hatte ich über Internet bereits in Istanbul gestellt. Die Agentur, für die ich mich entschieden hatte, heißt Touran Zamin. Für den Code durfte ich dann 75 Kanadische Dollar bezahlen (Ja, die iranische Agentur rechnet aus irgendeinem Grund in Kanadischen Dollars - nicht so lustig beim derzeitigen Wechselkurs). Als Abholstelle hatte ich das iranische Konsulat in Trabzon angegeben, da ich zu dem Zeitpunkt nicht sicher war, ob ich überhaupt Georgien und Armenien mitnehmen würde. Vielleicht hätte mir die Türkei ja so gut gefallen, dass ich zwei Monate dort verbracht und dafür auf die zwei Kaukasus-Staaten verzichtet hätte. Trabzon, das in der Nähe zu Georgien liegt, erschien mir da als die beste Alternative.

2) Nachdem man den Antrag für eine Referenznummer getellt und bezahlt hat, dauert es 7 bis 10 Tage, bis man eine sehr formelle E-Mail vom Iranischen Außenministerium erhält, in der man seine Referenznummer erfährt. Bei mir dauerte es zu meiner Überraschung nur 3 Tage. Da war ich gerade in Gaziantep angekommen. Da bis dahin alles ziemlich reibungslos abgelaufen war, war ich ziemlich guter Dinge, was den Erhalt meines Visums betraf.

3) Innerhalb einer vordefinierten Zeitspanne (1 oder 3 Monate, je nach Landesvertretung) muss man dann bei dem entsprechenden Konsulat vorstellig werden, ein Formular ausfüllen, zwei Passfotos sowie eine Kopie des Reisepasses abgeben, das Visum bezahlen und am Ende des Tage sein Visum abholen. Ich hatte in verschiedenen Berichten aus Reiseführern/Internet verschiedene Darstellungen gelesen. Einigen zufolge konnte man das Visum am Tag selber bekommen, anderen zufolge hatte man die Wahl zwischen einem normalen Visum, auf das man einige Tage warten müsse, und einem etwas teureren Express-Visum.

Schritt 3 will ich also in Trabzon ausführen. Ich komme kurz vor 9 Uhr morgens am iranischen Konsulat an. Außer mir sind noch 2 andere Kerle da, von denen ich erfahre, dass sie innerhalb von 2,5 Jahren die Welt mit dem Fahrrad umrunden wollen. Wir warten. Und warten. Und warten. Kurz vor halb 10 öffnet eine ziemlich schlecht gelaunte Frau die Tür. Sie lenkt uns hinein und weist uns an, Platz zu nehmen ("Sit!") Ich gebe ihr meinen Reisepass, zusammen mit der Referenznummer. Sie durchblättert den Pass (wahrscheinlich sucht sie nach einem israelischen Stempel) und reicht ihn an einen etwas freundlicheren Kollegen weiter. Und dann warte ich. Und warte. Und warte. Nach einer halben Stunde kommt der Kollege zurück, ich bekomme das berüchtigte Visum-Antragsformular, ein Überweisungsformular für die Visumkosten (50 Euro) und die Information, dass ich mein Visum nach einer Woche abholen könne. Als ich frage, ob es eine Möglichkeit gäbe, die Prozedur ein wenig zu beschleunigen, meint die nette Dame schlicht: "Of course not!" und schaut mich dabei an, als ob aus meinem Kopf ein dritter Arm wachse. Als ich mich dann hinsetze, um schon mal das Formular in Ruhe auszufüllen, habe ich scheinbar den Bogen überspannt. "Go outside!", keift die Beamte mich an.

Draußen unterhalte ich mich nochmal mit den zwei weltradelnden Ungaren. Zu meinem Entsetzen sitzen die beiden seit 10 Tagen in Trabzon fest, weil sie im Konsulat nicht an ihr Visum herankommen. Genau wie ich wurden sie auch wieder auf die folgende Woche vertröstet. Ich fasse daraufhin ziemlich schnell den Entschluss, dass ich nicht in Trabzon auf mein Visum warten, sondern ein neues Visum in der iranischen Botschaft in Tiflis, Georgien beantragen werde; auch wenn das heißt, dass ich wieder bei Schritt 1 anfangen und nochmal 75 CAD bezahlen kann. Ich hoffe wirklich, dass der Iran das wert ist.

Der Grund, warum ich lieber in Tiflis auf das Visum warte als in Trabzon, ist ziemlich einfach: Georgien ist meiner Erfahrung nach für Alleinreisende wie mich das angenehmere Land. In der Osttürkei gibt es nämlich kaum Hostels (in Tatvan, Van, Erzurum und Trabzon habe ich nur in billigen Hotels geschlafen), was für mich bedeutet, dass es schwieriger ist, Anschluss zu finden. Ursprünglich hatte ich vorgehabt, in der Türkei Couchsurfing zu probieren und hatte in Van, Dyarbakir und Trabzon auch ziemlich viele Anfragen verschickt, hatte dann aber nur Absagen erhalten. In Trabzon kam ich dann zufällig mal mit einem Couchsurfer ins Gespräch, der mir klipp und klar erklärte, mein Problem sei, dass ich kein hübsches Mädchen bin.


Sumela
Um meinen letzten Bericht aus der Türkei dann doch noch versöhnlich ausklingen zu lassen: Der darauffolgende Tag war ziemlich gut. Ich hatte beschlossen, per Anhalter zum Sumela-Kloster zu fahren. Ich komme zuerst bei zwei Handwerkern unter, die unterwegs sind zu einer Baustelle in einem Dorf, das etwa 10 Kilometer vom Kloster entfernt liegt. Dort gehe ich dann in einen Laden, um Wasser zu kaufen, wo ich mit einem Türken ins Gespräch komme. Er erzählt mir, dass er in Dänemark wohnt und zurzeit mit seiner Familie auf Heimaturlaub ist. Spontan bietet er mir an, mich zum Kloster mitzunehmen. Und so gerate ich mitten in den Ausflug einer Großfamilie: neben dem Mann, seiner Frau und seiner vierjährigen Tochter (die irgendwie einen Narren an mir gefressen hat und mich ständig an der Hand haben will) sind auch die zwei Großmütter und die zwei Großväter dabei. Die Familie ist ganz begeistert, sich um einen Touristen kümmern zu können und macht als Erinnerungsstück ganz viele Familienfotos mit dem komischen Belgier. Und ich bin ziemlich beschämt, als mir die Familie auch noch den Eintritt bezahlt und ich es einfach nicht schaffe, das abzulehnen. Habe ich schon erwähnt, wie nett die Türken sind?

So, und das war die Türkei. Auch wenn nicht alles so geklappt hat, wie ich es mir vorgestellt hatte, die Städte nicht immer sehr angenehm sind und Unterkünfte ein Problem darstellen - die Leute sind unschlagbar und stellen für mich trotz der Kommunkationsbarrieren das Highlight dieses Landes dar.

Weiter geht es nach Georgien!








Burg in Van


Aussicht von der Burg




Akdamar - ein Vorgeschmack auf Armenien


Erzurum




Ein überraschend schöner Park in Trabzon


Trabzon


Hagia Sofia in Trabzon




Sumela




Sumela


Der omnipräsente Staatsgründer Mustafa Kemal Attatürk

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen